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Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
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arbeite selbst an einer Story.«
    »Oh, ich verstehe. Na, kommen Sie, dann machen Sie sie für uns. Da können Sie die Gewerkschaftshonorare vergessen.«
    »Das glaube ich, aber — nein danke.«
    »Wie Sie wollen, Schätzchen; aber Sie sind ja nicht in dieser Branche, weil es so gesund ist. Was ist Ihr Preis?«
    »Hey, warum erfinden Sie nicht einfach was und sparen ein paar Kröten?«
    »Ach, lecken Sie mich doch am Arsch.«
    Ich konnte ihnen nichts erzählen. Was wußte ich denn eigentlich? Ich konnte ihnen erzählen, daß sie voller Überraschungen war. Daß sie auf Frauen stand, auf Drogen, auf Christian Dexter.
    Die Boulevardpresse machte weiter und errichtete Zeile um Zeile ein Denkmal zur Erinnerung an sie. Sie analysierten ihr Talent, ihren mysteriösen Reiz für die Jugend, ihr vergeudetes Leben und die tragische Krankheit, die ihr wahres Potential untergraben hatte. Das war das mindeste, was sie tun konnten. Auf dem Höhepunkt der Karriere zu sterben war das höchste Opfer, das man für eine Platz in der Ruhmeshalle bringen konnte. Aber der Tod als Anti-Heldin bedeutete, daß man sie in Wachs einsiegeln würde. Sie würde ein beständiger Quell von Geheimnissen sein, von Trauer... und das war guter Stoff für die Presse. Sie würde niemals altern oder ihr Image ändern. Die Welt konnte Carla Blue für alle Zeit in ganzer Kraft und unverdünnt genießen.
    Jedesmal, wenn man den Sender wechselte oder die Seite umblätterte, war Drogenmißbrauch das brandaktuelle Thema: in den Telefonsendungen, die Carla so geliebt hatte, in speziellen Hintergrundberichten im Radio und im Spätfernsehen. In jeder Diskussion in den Medien wurden Carla und Johnny Waits und ihr Tod durch Heroin fast in einem Atemzug erwähnt. Heroin, der Tod der Rockstars. Ich konnte nicht glauben, daß sie so weit gekommen war.
    »Ich möchte, daß du das hier mit mir nimmst. Daß wir’s teilen.« Es sah aus wie ein Pfefferminz, was sie in der Hand hatte.
    »Was ist es?«
    »MDMA.«
    »Ecstasy?«
    »Yeah. Aciiiiid. J-j-j-jede Menge davon im Haus.«
    »Danke, nein.«
    »Wieso nicht?«
    »Es ist gefährlich, oder? Ich dachte, die Psychiater in Amerika haben es Schizophrenen gegeben und nachher verboten.«
    »Nein, sie haben es benutzt, um Ehen zu kitten. Ehrlich. Weil es dich geil macht und außerdem scharf drauf, die Wahrheit zu sagen.«
    »Die Wahrheit tut weh, Carla.«
    »Komm schon. Ein Hit wird dich nicht umbringen. Es heißt, man hat so’n außerkörperliches Erlebnis, ein großartiges Gefühl von Bewußtsein und Wahrnehmungsfähigkeit. Alles sieht noch genauso aus, aber viel, viel hübscher. Angeblich bist du nachher irgendwie verbunden mit den Leuten, mit denen du’s genommen hast.«
    »Ach ja? Na, ich will aber nicht mit dir verbunden sein. Du bist verrückt.«
    Ich hätte ihr sagen sollen, man braucht keine halluzinogenen Amphetamine, um mit jemandem verbunden zu sein. Das ging ebensogut mit Liebe oder mit Haß. Für den Anfang war Schuld auch ganz gut. Schuld verbindet wie Leim.

Ich rief Tommy an, und das Telefon klingelte so lange, daß ich dachte, es sei niemand zu Hause.
    »Hallo?« Da war viel Lärm im Hintergrund.
    »Ich möchte Tommy sprechen.«
    »Tommy.« Ich schrie gegen den Lärm im Pub an. »Was für’n Tommy?« Es war eine Männerstimme. »Ich weiß es nicht. Tommy, vom Markt unten.“
    »Yeah?« Das war Tommy.
    »Ich bin’s, Georgina Powers — letzten Sonntag, erinnerst du dich noch? Wir haben was getrunken. Ich hab’ zwei Kassetten gekauft.«
    »Ach ja! Sorry, Sweetheart. Was ist? Du willst auf ’n Drink rüberkommen?«
    »Ja. Wo ist es?« schrie ich.
    »Salmon and Ball. Kennst du das?«
    Ich kannte es. Der Typ war ein East Ender. Es war nicht weit.

    Das Salmon and Ball war ein hübscher viktorianischer Pub an einer verkehrsreichen Kreuzung in Bethnal Green. Es war einer der wenigen in der Gegend, die nicht mit neuen Cocktailfarben angestrichen und nach einem Monat des Jahres benannt worden waren. Erbsengrüne, glasierte, halbhoch gekachelte Wände gingen in große Fenster über, die unten kleine Milchglasvierecke hatten. Über der Doppeltür hing ein handgemaltes Schild. Ich stieß sie auf und kam in einen gefliesten Flur. Zwei Türen mit Messingklinken öffneten sich nach links und rechts. In das undurchsichtige, zierlich geschliffene Glas waren die Worte »Public« und »Saloon« in verschnörkelten Lettern eingraviert. Ich öffnete die Tür, die in die große »Public Bar« führte.
    Tommy stand an der

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