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Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
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Stück gewesen sein, die da in dem Gäßchen, das sie als Straße bezeichnen, zu wenden versuchten. Jetzt brauchen wir einen Andenkenservice, verflucht noch mal«, sagte St. John zu niemandem speziell, als wir zum Flughafen zurückfuhren.
    Dexter und ich starrten aus gegenüberliegenden Fenstern. »Wieso läßt du das nicht die PR-Abteilung machen?« fragte ich, und er kapierte. Keiner sagte mehr ein Wort, bis wir im Flugzeug saßen.
    Mrs. Ball hatte ein kleines, privates Familienbegräbnis haben wollen, aber die meisten der etwa hundert Carla-Fans und Journalisten waren fast den ganzen Abend hindurch im Dorf geblieben. Wir kamen in einer großen schwarzen Pullmanlimousine, nur wenig kürzer als ein Bus, und als wir im Schrittempo den Flügel hinunterkrochen, bewegten sich immer noch Dutzende von Leuten auf den vollgestopften Friedhof zu. Der Leichenwagen konnte nicht bis an die Kirche heranfahren; er mußte hinter einem beigefarbenen Bedford einbiegen, der mit einem großen, elastisch aussehenden Hotdog und einer Flasche Tomatenketchup bemalt war. Unser Wagen schob sich durch eine Gruppe heavy aussehender Typen, die herumstanden und Kaffee aus weißen Styroporbechern tranken. Kaum hatte unser Fahrer die Türen geöffnet, warfen sie die Becher beiseite und kamen auf uns zu, bewaffnet mit Kameras, die mit ihren Objektiven aussahen wie Panzerfäuste.
    Es dauerte eine Weile, aber als die Träger den Sarg schließlich draußen hatten, taumelten sie damit durch die Menge wie Pantomimen im Pferdekostüm auf der Suche nach dem Bühnenausgang, erst nach links, dann nach rechts. Sie brauchten eine Viertelstunde, bis sie in die Kirche gestolpert kamen. Die Sitzbänke waren vollbesetzt. Zwischen uns und der Menge war kein bißchen Platz mehr; sie atmeten uns ins Gesicht und in den Nacken, und keiner kannte den Text der Kirchenlieder. Ich hatte befürchtet, der Gottesdienst könnte eine bewegende Sache werden; aber jetzt wußte ich, daß er nichts dergleichen sein würde. Und weinen konnte ich hier auch nicht um sie. Es war alles nichts — ein leeres Ritual. Sie war nicht da. Da war nur eine schwere Kiste in einer kalten Steinkirche voller Fremder.
    »Ein Weizenkorn ist ein einzelnes Weizenkorn, bis es auf die Erde fällt und stirbt, aber wenn es stirbt, bringt es reiche Ernte«, sagte der Priester, um einer verständnislosen Gemeinde Trost zu spenden, lauter Ungläubigen aus großstädtischen Ansiedlungen. Carla hatte bestimmt nicht daran geglaubt, daß man tot besser dran war, weil man dann Lohn und Trost im Himmel bekam. Sie wollte Resultate auf dieser Welt, am liebsten jetzt, am liebsten gestern. Der Priester kannte Carla nicht. Für Carla war der Tod unvorstellbar. Das Jenseits war nicht ihr Markt. Es wäre schlimmer als eine US-Tournee, schlimmer als das Leben im Ausland. Außerdem war sie viel zu beschäftigt mit ihrem Erfolg gewesen, um an den Tod und den himmlischen Lohn zu denken.
    Draußen fing der Meeresnebel, der uns auf dem Flughafen begrüßt hatte, allmählich an, sich von der Küste zurückzuziehen, und eine wäßrige Wintersonne sickerte durch die Wolken. Das Licht blinkte kurz auf dem goldenen Namensschild am Sarg; sonst rührte sich nichts außer drei feinen, aschblonden Haarsträhnen, die über den kahlen Kopf des Priesters wehten, während er redete.
    »Und so vertrauen wir ihren Leib der Erde an; Staub zu Staub, Asche zu Asche, in der sicheren und gewissen Hoffnung auf die Auferstehung zum Ewigen Leben«, sagte er, und wir starrten alle auf den blanken Sarg in der düsteren Grube.
    Wir warteten darauf, daß Mrs. Ball sich bückte und ein bißchen Erde daraufstreute, um den Anfang zu machen, aber da warf jemand eine Rose über St. Johns und Dexters Köpfe hinweg und sie erschrak. Die Rose landete mit hüpfendem Überschlag auf dem Sargdeckel und brach das Schweigen, das der Priester mit seinen feierlichen Worten verzaubert hatte. Drei weitere folgten, und dann noch mehr. Red roses for a blue lady. Am liebsten hätte ich gelacht. Carla hätte. Sie liebte ein gutes Klischee. Die Leute beugten sich vor, um besser zu sehen, bis das Gedränge von hinten uns allmählich nach vorn zu schieben begann.
    Ich mußte mich kräftig zurücklehnen, um nicht über die feuchte, lose Erde am Grabesrand hinunterzurutschen. St. John fluchte, als er und Dexter mit ausgebreiteten Armen Halt suchen mußten wie zwei Polizisten, die in zwanzig Metern Höhe auf einem Sims auf einen potentiellen Selbstmörder zubalancieren. Die

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