Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
Vom Netzwerk:
Kochnische und einer Eßecke stand. »Das hilft vermutlich«, sagte er.
    Es waren zwei große Räume gewesen, ehe Architekten und Designer angerückt waren. Ein paar viktorianische Überreste waren noch da: Friese und Profile, Schiebefenster. Der Rest sah aus, als sei er keine drei Jahre alt. Der Kamin war ein moderner, kubischer Alkoven auf halber Höhe der Wand; darin leuchtete warm das anheimelnde Licht von hitzebeständigen schwarzen Keramikkohlen und blauen Gasflammen. Der gemusterte Teppich war dunkelrot, in persischem Stil. Die Eßgruppe schwarzer Lack, italienisches Design. Die Küche mit feinstem grauen Laminat überzogen, wahrscheinlich deutsch; die Geräte ebenfalls deutsch, schwarz, glatt, integriert. Die Stereoanlage war so weit weg, daß ich sie nicht genau sehen konnte, aber es mußte der dänische Stil von Bang und Olufsen sein. Dunkel und diskret stand sie in einem Regal aus Glas und Messing, das überdies eine Schallplattenkollektion von beträchtlichem Ausmaß enthielt. An den weißen Wänden hingen ein paar schwarz gerahmte Bilder, hauptsächlich Boxerporträts, Kohleskizzen und Aquarelle von Kämpfen aus der Zeit der Jahrhundertwende, und die weiße Gipsreplika eines jugendlichen, antiken griechischen Athleten mit gerader Nase stand ungelenk in einer Ecke, die Hände ausgestreckt, wie um jemandes Garderobe entgegenzunehmen. Abgesehen von diesen Sachen und der ledernen Sitzgarnitur war der Raum leer. Es gab keinen Kram und keine Vorhänge, nur feine graue Jalousien, die so gekippt waren, daß das trübe Licht der Nachmittagsonne kaum hereindrang.
    Tony hielt eine große grüne Flasche Gordon’s hoch, auf der das Etikett verkehrtherum aufgeklebt war. »Einen Drink?«
    Ich schüttelte den Kopf. Die Hunde seufzten, und Tony ging in die Küche hinauf und lud seine Kaffeemaschine. Als er zurückkam, setzte er sich neben seinen Hunden in den Sessel. »Was haben Sie denn für mich?« Die Kaffeemaschine spotzte und zischte, während er die Finger ineinander verschränkte und mit den Knöcheln knackte.
    »Ich wollte nur hören, ob unser Deal noch steht.«
    »Warum nicht?«
    »Oh, ich Dummerchen. Ich wußte nicht, daß es eine alte Geschäftssitte im East End ist, den Partner kräftig durchzuschütteln.«
    »Ist es aber, wenn der einen den anderen ärgern will.«
    »Tja, da das nicht der Fall ist, wie wär’s mit einer Entschuldigung?«
    Er ließ seine Knöchel in Ruhe und fuhr sich statt dessen mit dem Zeigefinger unter den weichen Halsausschnitt seines Argyll-Pullovers aus schwarzcremfarbenem Cashmere. »Wofür? Dafür, daß Sie Tommy reingeritten haben? Und mich?«
    »Hab’ ich gar nicht.«
    »Na, mir scheint, Tommys ganzer Ärger fing an, als er Sie kennenlernte... Mit all Ihren Freunden in der Musikbranche.«
    »Ich glaube, der fing schon vorher an.«
    Seine Lippen waren fest zusammengepreßt und abwärtsgekrümmt, wie es Männer machen, wenn sie irgendein Gefühl beherrschen wollen: Zorn, Bitterkeit — Trauer manchmal. Tonys nußbraune Augen sahen nicht traurig aus. Sie waren dunkel und unwirklich wie seine schwarzen Keramikkohlen. Er fing an, mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand an seinem Hosenbein herunterzufahren und die Bügelfalte in der reinen Schurwolle zu schärfen. Er grinste ein bißchen, und die Hand fuhr langsam auf und ab. »Ein Mißverständnis also?«
    »Ich glaube ja. Ich glaube, Sie haben die Beherrschung verloren.«
    Er hörte auf zu grinsen. »Ich glaube, ich habe einen Bruder verloren.«
    Da war sie wieder, diese kindliche Sprechweise — / statt th. Aber sein Akzent war nichts, worüber man in entzücktes Gegurre hätte ausbrechen mögen; er war emotionslos und bedrohlich.
    »Es war nicht meine Schuld.«
    »Erzählen Sie’s mir.«
    Es war reinstes Actors Studio. Er nahm das übergeschlagene Bein herunter und starrte mich geradeaus und unbewegt an, ganz wie Pacino als Don Michael Corleone in Der Pate II - oder war es III? Die Szene bei der Beerdigung seiner Mutter, wo er geduldig zuhört, wie seine Schwester um Verzeihung für den tolpatschigen Bruder Fredo fleht. Er tätschelte ihr die Hand, kneifte sie in die Wange und umarmte Fredo, den Trottel, mächtig und brüderlich vor der ganzen Familie. Als der arme Tropf das nächste Mal zum Angeln auf den See fährt, wird er durch eine Explosion zu Fischköder zerkleinert. Wenn ich Tony gerade erst kennengelernt hätte und wenn zwischen uns nichts weiter gewesen wäre, dann hätte ich ihn jetzt darauf hingewiesen,

Weitere Kostenlose Bücher