LIEBES ABENTEUER
Straßen Taipehs wimmelt es nur so von hupenden Fahrzeugen und Menschen. Mit all den gut gekleideten Asiaten und den Nobelrestaurants sieht es sehr wie zu Hause aus. Aber dann schlägt einem die Hitze entgegen, und man weiß, dass man nicht in Kalifornien ist.
Die feuchte, braune Hitze liegt rund um die Uhr über Taipeh, aber nachts wird es etwas besser, weil man die dreckige Luft nicht sieht. Sie riecht nach Diesel und Zigaretten, und man hält unbewusst die Luft an. Hans geht hinter mir und hat mir die Hand in die Taille gelegt. Europäer führen sich nach meiner Erfahrung Frauen gegenüber gerne als Beschützer auf - nicht, dass ich hier allzu viel Erfahrung hätte.
»Danke, dass Sie mich begleiten, Hans. Ich muss gestehen, dass ich doch etwas beunruhigt gewesen wäre, alleine nachts auf der Straße.«
»Wird es lange dauern? Wir müssen noch ein bisschen arbeiten. Aber ich verstehe, dass Frauen manchmal einkaufen müssen, wenn ihnen gerade danach ist. Sophia ist eine gute Lehrerin.«
»Es wird nicht lange dauern. Ich weiß genau, was ich will. Die Frage ist nur, ob ich es mir leisten kann.«
»Läuft die Sache mit Ihrem Freund nicht gut?«
Ich sehe Hans direkt in die Augen. Warum ahnt er, dass das mit Seth zu tun hat? »Nein, nicht wirklich. Wir haben Schluss gemacht.«
Für mich sieht Hans wie ein Sportler aus: groß und schlank, immer in die teuersten europäischen Anzüge gekleidet. Sein Haar ist glatt, aber nicht strähnig, und dunkelblond. Er hat blasse blaugrüne Augen. Er ist wahrscheinlich alt genug, um der Vater seiner Freundin zu sein, strahlt aber eine jugendliche Verspieltheit aus. Er wirkt nicht im Geringsten bedrohlich, was ihn bedrohlicher macht als jeden anderen Mann.
»Ich werde Ihnen jetzt etwas über Männer verraten«, sagt Hans. »Wenn sie Sie nicht im ersten Jahr heiraten wollen, werden sie es wahrscheinlich gar nicht tun.«
Ich bleibe stehen und schaue ihn an. »Ich kenne niemanden, der so schnell heiratet.«
»Nein, nein«, meint Hans kopfschüttelnd. »Ich habe nicht gesagt, dass sie Sie im ersten Jahr heiraten sollen. Aber sie wissen bis dahin, ob sie Sie heiraten wollen. Ein Mann, der nicht übers Heiraten spricht und das Thema vermeidet, ist nicht der Richtige für Sie. Wenn er das Thema nach zwei Jahren ganz vermeidet, wird er sich nie binden.«
Ich habe einen Knoten im Hals so groß wie ein chinesischer Mondkuchen. Wenn ich weit weg bin, komme ich mir immer so dumm vor wegen meiner Beziehung mit Seth. Kann man das überhaupt eine Beziehung nennen? Es ist wohl eher das Vermeiden einer festen Beziehung. Wahrscheinlich habe ich geglaubt, weil ich Seth liebe, müsste er genauso empfinden. Ich habe ihn mit meinen Augen gesehen, die offensichtlich dringend eine Laserkorrektur brauchen.
»Woher wissen Sie all das über Männer? Meinen Sie, das trifft auf alle Männer zu, dass sie nicht heiraten werden, wenn sie nicht im ersten Jahr daran denken? Sie heiraten Sophia ja auch nicht.«
»Genau. Ich werde Sophia auch nicht heiraten, und das weiß sie, oder zumindest sollte sie es wissen. Ich will keine Frau heiraten, die bereit ist, eine Beziehung mit einem verheirateten Mann einzugehen.«
»Was? Was zum Kuckuck soll das denn heißen? Sie hatten doch auch eine Beziehung! Und Sie sind der verheiratete Mann!«
Hans lacht und geht weiter. »Stimmt, aber mit ihr zu schlafen und sie zu heiraten sind zwei paar Stiefel. Geliebt habe ich nur meine Frau. Das tue ich immer noch.«
»Das ist das Sexistischste, Gemeinste und Arroganteste, was ich je gehört habe! Ich kann es nicht fassen, dass Sie das auch noch zugeben.«
Hans zuckt mit den Schultern. »Ich bin nur ehrlich. Sie täten gut daran, auf mich zu hören.«
»Seth denkt nicht so.« Ich weiß, dass er nicht so denkt. Aber mein Puls dröhnt in meinen Ohren, und ich möchte diesen Mann am liebsten erwürgen, zum Wohle aller Frauen. »Er mag nur keine Veränderungen, deshalb kann er sich nicht entscheiden, ob Heiraten das Richtige für ihn ist. Es ist eine zu große Veränderung.«
»Die Dinge sind nicht immer so, wie wir es uns wünschen«, sagt Hans, als verkündete er eine unheilvolle Botschaft. »Seth ist ein Arbeitstier, und nicht die Sorte Mann, die die Welt verändert. Wie ich schon sagte, Sie sind zu schlau für ihn.«
»Wenn Sie sich schon zum Sprecher für die ganze Männerwelt machen, dann verraten Sie mir, warum Seth mich nicht heiraten wird.« Wenn ich Hans schon hier habe, kann ich mir seine Gedankengänge auch
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