LIEBES ABENTEUER
würde, ist das, als wollte ich sagen, ›Schaut mich an‹ statt ›Schaut meine tolle Jacke an, der Mittelpunkt meines Outfits heute‹ Ein Outfit muss einen Mittelpunkt haben, genau wie ein gut gestalteter Raum.«
Kevin umklammert das Lenkrad und lacht. »Es ist beängstigend, wie du das erklärst, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Kein Wunder, dass du Anwältin bist, du kannst alles rechtfertigen.«
»Rechtfertigen? Ich rechtfertige nichts. Ich sage nur, dass heute die Jacke im Mittelpunkt steht. Morgen ist es vielleicht meine tolle neue Handtasche aus Taiwan.«
Er lacht immer noch. Ich liebe sein Lachen. Er lacht mit seinem ganzen Wesen, und die Tatsache, dass er mich so unterhaltsam findet, jagt mir einen genüsslichen Schauer über den Rücken. Das habe ich heute für mein Selbstbewusstsein gebraucht.
»Wirst du diese faszinierenden Theorien jemals aufschreiben?«
»Auf jeden Fall. Wenn ich ein Buch über den Overkill in der Mode schreiben könnte, würde ich der Welt wahrscheinlich einen großen Gefallen tun. Paris Hilton zum Beispiel. Absoluter Overkill, und das jeden Tag. Sie hat eine tolle Figur, aber davon sollte man ein wenig mehr für die Fantasie verbergen. Mariah Carey. Overkill. Satin ist so dermaßen nicht mehr in. Und sie sollte sich ein bisschen Unterwäsche zulegen, die nicht die ganze Welt sieht.«
»Ashley, ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon du da sprichst, aber du erweiterst meinen Horizont ungemein.« Er wagt einen Blick in meine Richtung, und ich sehe, dass er es ernst meint. Er hört sich meine Vorträge über Belangloses tatsächlich gerne an. Meine Gedanken schweifen ab. »Ashley, hast du mir zugehört?«
»Häh?«
»Ich habe dich gefragt, ob du die Stelle als Chefsyndikus bekommen hast.«
»Oh, nein. Zumindest noch nicht. Aber Hans und ich haben viel erreicht in Taiwan. Ich glaube, wir werden ein richtig gutes Team in Taipeh haben. Je besser die Ingenieure sind, desto besser sind die Patente. Umso sicherer.« Ich schaue aus dem Fenster. »Was haben eigentlich Arin und Sam getan, dass sie keine Zeit hatten, mich abzuholen?« Wenn man bedenkt, dass die beiden keinen Job haben und du Chirurg bist.
»Sie packt für Indien. Scheinbar sieht sie sich schon als die nächste Mutter Teresa.«
Ich schnappe so laut nach Luft, dass der arme Kevin denkt, ich hätte mich verschluckt, und mir auf den Rücken klopft. Ruhig. Ganz ruhig bleiben. Indien ist ein riesiges Land. Wahrscheinlich wird ihr nicht einmal ein anderer Weißer über den Weg laufen, geschweige denn Seth. »Sie geht wieder ins Ausland?«
»Sie hat einen Sponsor gebraucht, um mit Food Vision zu arbeiten, und sie hat einen gefunden.«
»Nur einen?«
»Seth. Ich glaube, er unterstützt sie aus seiner Stiftung.« Er sieht meinen Gesichtsausdruck und schüttelt den Kopf. »Tut mir leid, Ashley. Ich dachte, du wüsstest das schon.«
Mein Kopf schüttelt sich ganz ohne mein Zutun. »Was für eine Stiftung?«
»Seths Stiftung.«
»Seths Stiftung. Woher hat Seth eine Stiftung?«
»Ich weiß nicht. Er hat Arin gesagt, er würde sie aus seiner Stiftung finanzieren. Er hat es sogar in der Bibelgruppe letzte Woche bekannt gegeben. Sie schienen beide mit der Abmachung zufrieden zu sein.«
Seine Eltern waren Missionare in China. Woher sollte er das Geld für eine Stiftung haben? Es sei denn, er hat sie ins Leben gerufen. Ich reibe mir die Schläfen. Ob es wohl eine Auszeichnung für den naivsten Menschen der Welt gibt? Amerika sucht den Superdepp oder so.
Kevin biegt bei einer der ersten Ausfahrten von der Schnellstraße ab, und wir fahren in die Innenstadt von Burlingame, einem wohlhabenden, elitären Vorort von San Francisco. Er hält vor einer kleinen Kaffeerösterei, und der Duft von Kaffee steigt mir in die Nase. »Hast du Hunger?«
Ich nicke. »Ja, ich glaube schon.«
Kevin scheint zu spüren, dass ich nicht ganz da bin, und runzelt die Stirn. »Arin und Seth haben die gleiche Vision, hat Arin mir erzählt. Er hat das Geld, sie ein Herz für Mission.« Er spricht mit sanfter Stimme und legt seine Hand auf meine. »Das ist wahrscheinlich von Gott so gewollt, und ...« Er schaut mir direkt in die Augen. »Es ist in Ordnung so, Ashley.«
Nein, ist es nicht. »Ich komme mir so unübertroffen dumm vor.«
Einen Moment lang sagt er nichts. »Hast du mir nicht gerade die Theorie der richtigen Wahl des Outfits dargelegt?« Er grinst. »Niemand« - und dabei dreht er sich ganz zu mir um und nimmt meine Hand
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