LIEBES ABENTEUER
schaut mich fragend an.
»Das ist Seth«, erkläre ich dem Baby. »Miles hat sich übergeben«, sage ich zu Seth. »Ich muss sein Bettchen noch sauber machen, und ich will ihn nicht alleine lassen, falls er noch einmal brechen muss.«
»Du willst also sagen, dass ich mit einem Mann mithalten muss, der einen vollen Haarschopf hat?«
»Du musst mit niemandem mithalten, Seth. Du hast deine Wahl getroffen.« Oh-oh, das klingt ein bisschen bösartig.
Sein Lächeln verschwindet. »Bitte komm mit mir nach Indien.«
»Willst du mich nicht erst mal begrüßen?« Dabei stemme ich die Faust in die Hüfte. »Warum musst du das tun, Seth? Was ist so faszinierend an Indien?« Außer dass du sehen möchtest, ob ich dir hinterherlaufe wie ein herrenloser Hund.
»Ich habe einfach das Gefühl, dass Gott mich dazu beruft. Ich kann das nicht erklären. Ich weiß nur, dass ich dorthin gehen soll. Als sich mir die Stelle in Arizona anbot, da habe ich herumgedruckst. Aber diesmal ist es anders. Ich habe es sofort gewusst.«
»Ich habe meinen Job gerade erst neu angefangen, Seth. Ich habe das Gefühl, dass es wichtig ist, hier zu sein. In der Nähe vom Einkaufszentrum. Und von den Restaurants und der Gemeinde und meinem gewohnten Leben.« Jetzt habe ich ein wenig Mitleid mit ihm und atme meine Angst aus. »Schau mal, Seth, Hans hat wirklich angefangen, mir zu vertrauen. Wenn ich ihn jetzt verlasse, denkt er nur, dass alle Christen immer nur ihre eigenen Interessen verfolgen. Ganz im Gegensatz zu dem, was du vielleicht denkst, schätze ich es sehr, dass dein Leben und deine Aufgabe in Indien sein werden. Aber mein Platz ist hier, Seth.«
»Es ist doch nur für drei Monate. Danach kannst du zu Hans zurück.«
»Erstmal. Zunächst ist es nur für drei Monate. Ich habe gesehen, was diese Firmen alles unternehmen, damit sich ihre Mitarbeiter in einem fremden Land niederlassen. Man lebt wie ein König, braucht nichts, und das ganze Gehalt kommt steuerfrei nach Amerika, während man den Luxus gratis genießt. Du gewöhnst dich daran und kommst wahrscheinlich nie wieder zurück.«
»Hast du Angst, mit mir irgendwohin zu gehen?«
»Ich habe Angst, irgendwohin zu gehen, wo es keinen guten Espresso und keine Einkaufszentren gibt.« Ich mache eine ausholende Bewegung mit der Hand. »Schau dich um, Seth. Das hier ist ein Missionsfeld, das reif zur Ernte ist, und es sind nur wenige Arbeiter da. Mein Ruf ist es, hierzubleiben.«
Er hält das rote Tuch hoch. »In Indien gibt es auch Einkaufszentren und sogar Einkaufsstraßen wie in Stanford. Die Läden sind besser als Ann Taylor und billiger und weiblicher.« Er spielt mit seinen Augenbrauen. »Und du könntest dir so viele Tücher kaufen, wie du willst. Ich würde dich so gerne darin sehen.«
Ich starre ihn an, und für einen Moment werde ich weich. Bittest du mich jetzt, dich zu heiraten? Dr. Sommer sagt immer, man soll einen Ring kaufen und ein Datum festlegen. Einen Ring und ein Datum. Wie soll ich ihm diese Frage denn stellen, wo es doch eigentlich gar nicht meine Aufgabe ist, zu fragen, oder? In ein anderes Land zu gehen erfordert ein hohes Maß an Hingabe, und ich bezweifle ernsthaft, dass er dazu bereit ist. Aber ich muss es ganz sicher wissen, für meinen inneren Frieden.
Ich stelle mir vor, wie ich eines Tages ausgemergelt und sonnenverbrannt bin und nicht mehr in der Lage, mich schick anzuziehen, weil ich die ganze Zeit nur Saris getragen habe. Und dann komme ich nach Amerika zurück wie ein Verdurstender in eine Oase und muss feststellen, dass sich im Patentwesen in meiner Abwesenheit alles verändert hat. Mein Konto ist dank neuer Steuergesetze geschrumpft, und Botox kann ich mir nicht mehr leisten, oder noch schlimmer, es gibt es gar nicht mehr, weil das Ministerium für Ernährung und Gesundheit es verboten hat. Und jetzt kommt die große Erleuchtung. Ich kann mich für niemanden im tiefsten Inneren verändern, außer für Jesus.
»Ich weiß, dass du mich liebst«, sagt Seth mit tiefer, klarer Stimme. Er beugt sich zu mir und drückt seine Lippen auf meinen Mund. »Ich weiß, dass du die Menschen liebst und deine Arbeit als Patentanwältin und indisches Essen und billige Kleider. Das gibt es alles in Indien.«
Er küsst mich noch einmal sanft, und ich merke, wie ich zurückweiche. »Und mich gibt es dort auch.«
Mich gibt es dort auch? Gerät er jetzt ins Straucheln?
»Zunächst einmal möchte ich eines klarstellen: Ich mag keine billigen Kleider. Ich mag gute Kleider zu
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