LIEBES ABENTEUER
missbilligende Gegenwart ist immer noch zu spüren. Uber ihrem sonst so makellosen Haus liegt eine weiße Staubschicht, und in meinem Zimmer türmt sich alles, was Rhett anscheinend zerbissen hat. Eine von Kays billigen Sonnenbrillen, ein bisschen Erntedank-Kitsch, darunter ein zerfetzter Stofftruthahn, ein Nudelholz mit Zahnabdrücken und ein durchlöchertes Kissen, auf dem einmal stand: »Wenn Freunde Blumen wären, hätte ich dich gepflückt.«
Ich suche nach etwas zum Anziehen, muss aber feststellen, dass alles mit einer Schicht aus Staub und Hundehaaren überzogen ist. Auf der Suche nach etwas Hellem beschließe ich, dass ich die Regel, nach dem Tag der Arbeit nichts Weißes zu tragen, ignorieren werde und wähle ein, sagen wir mal, winterweißes Kostüm.
Ich kann mich nicht duschen, weil Miles ohnehin schon an einem ungewohnten Ort ist, und wenn ein Hund allein schon so viel Verwüstung anrichten kann, dann will ich gar nicht wissen, was drei Hunde anrichten können. Also bemühe ich mich, mein Haar mit Wasser und einer Mischung aus Gel und Festiger zu bändigen. Jetzt sieht es fettig aus und als ob ich einen Helm aufgehabt hätte, aber damit schaffe ich es zur Arbeit, was heute das einzige Ziel ist, das ich erreichen will.
Nach einer Stunde Styling stopfe ich Miles und die Hunde wieder ins Auto. Dann fällt mir ein, dass ich kein Fläschchen für Miles mitgenommen habe. Also fahre ich zurück zu Brea, würge das Auto in der Garage ab, schlage die Tür zu und renne ins Haus, um die Babynahrung und das Fläschchen zu holen. Da dämmert es mir, dass ich die Möpse besser zu Hause lassen sollte. Ich stecke sie in ihre Käfige und fühle mich dabei wie die grausame Cruella aus 101 Dalmatiner.
»Wir sind startklar«, sage ich. Endlich. Ich schaue auf die Uhr. Es ist halb zehn. Um halb sieben habe ich mit dieser ganzen Prozedur angefangen, und ich bin noch nicht einmal auf der Arbeit.
Im Büro angekommen, lasse ich Rhett im Hundeeck. Ja, wir haben ein Hundeeck. Damit geben die Spinner in Silicon Valley vor, normal zu sein. Wir haben Hunde. Heiraten kommt vielleicht nicht infrage, aber Lebenspartner und Hunde, das geht. Sehr progressiv das alles. Oder auch nicht. Mir wird schnell klar, dass der Mythos, alles gleichzeitig erreichen zu können, eben nur ein Mythos ist. Und ich bin ein totaler Trottel, dass ich ein Baby und einen Hund mit zur Arbeit nehme. Arbeitet mein Gehirn überhaupt noch? Von wegen Mensa-Mitglied und so. Im Moment würde ich nicht mal den College-Aufnahmetest schaffen.
Hans kommt zu mir auf den für Hunde abgegrenzten Bereich im Hinterhof. »Was soll das alles? Wer ist das?«
»Das ist Miles, der Sohn meiner besten Freundin. Das ist eine lange Geschichte, aber er ist heute bei mir hier. Ich habe Decken, Spielsachen, Videos und alles Mögliche mitgebracht. Ich werde dafür sorgen, dass dem Kleinen mein Büro gefällt, und wenn ich dabei vor die Hunde gehe.«
Mein Handy klingelt, und Hans zieht die Augenbrauen hoch. »Ich hoffe, ich störe Sie dabei nicht«, meint er schnippisch.
Ich gehe trotzdem ans Telefon. Es könnte Brea sein. »Hallo?«
»Ash, ich bin’s, Brea. Kann ich mit meinem Kleinen sprechen? Seine Mama vermisst ihn wie wahnsinnig.«
»Es ist meine Freundin«, flüstere ich Hans zu, »die Mutter des Jungen. Sie will mit ihm sprechen.«
Hans macht eine gleichgültige Geste. »Melden Sie sich, wenn Sie so weit sind.« Er legt die Hand auf den Bauch und verneigt sich. »Ich stehe selbstverständlich zu Ihrer Verfügung.« Dann geht er und knallt seine Bürotür hinter sich zu.
Ich halte Miles das Handy ans Ohr, und er fängt an zu kichern und darauf herumzukauen. Er sabbert es ganz voll, und ich frage mich ernsthaft, wie um alles in der Welt man als Mutter berufstätig bleiben kann.
Ich wische das Handy an meiner Jacke ab. »Brea?«
»Bitte bring ihn her. Bitte, bitte. Ich drehe noch durch ohne ihn. John will nicht, dass ich ihn hochhebe, aber wenn du ihn mir hinhältst...«
»Du willst, dass ich ihn ins Krankenhaus schmuggle?«
»Bitte, Ash. Ich flehe dich an. Miles darf nicht vergessen, wer seine Mama ist.«
Ich schaue zu Hans’ geschlossener Bürotür und sehe meine Beförderung schwinden, aber andererseits fleht mich meine beste Freundin an. Das ist nicht schön. »Na gut. Willst du sonst noch irgendetwas?«
»Könntest du unterwegs halten und mir einen Fruchtsaft von Jamba mitbringen? Miles und ich teilen uns immer einen.«
»Wo ist John?«
»Er ist zur Arbeit
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