Liebes Glück - Ein Ashley Stockingdale Roman (German Edition)
vorzustellen. Ich dachte, du seist in Yale oder so aufgewachsen.“
„Hör einfach zu, ja?“ Kay sieht mich streng an. „Also arbeitete meine Mutter letzten Endes in der Gemeinde, wo sie das Essen sortierte und verpackte. Du weißt schon, etwas Reis, etwas Eiweißhaltiges und eine Dose Gemüse dazu, so in der Art.“
„Wo habt ihr geschlafen?“
„Wir bekamen für die Arbeit Unterkunft und Verpflegung und haben auf dem Dachboden der Gemeinde geschlafen. Es war schmutzig dort. Ich habe mein Bestes versucht, aber bis heute kribbelt es noch überall, wenn ich an den ganzen Staub denke.“ Wie aus dem Nichts niest Kay.
„Ich kann mir dich auf keinem Dachboden vorstellen. Und erst recht nicht auf einem dreckigen. Wow, Kay!“ Das erklärt ihren Ordnungswahn sehr gut.
„Jedenfalls lebte Simon zusammen mit seiner Frau in einem tollen kleinen Haus, allerdings ohne Kinder. Wir lebten seit ungefähr drei Wochen auf dem Dachboden, als meine Mutter einen Mann kennengelernt hat. Er war gekommen, um rote Bohnen für seine Familie zu holen. Sie sind zusammen durchgebrannt.“
„Wer ist durchgebrannt?“
„Meine Mom und dieser Mann.“
„Ich dachte, er wäre wegen seiner Familie gekommen.“
„Lässt du mich zu Ende erzählen? Simon wusste also nicht, was er mit mir anstellen sollte, weil meine Mom nicht erwähnt hat, ob sie jemals wieder zurückkommen würde. Ich war damals noch zu jung, um allein auf dem Dachboden zu bleiben, außerdem war die Gegend nicht die allerbeste. Also haben er und seine Frau mich für eine Weile bei sich zu Hause aufgenommen. In dieses perfekte, saubere, kleine Zuhause auf der richtigen Seite der Stadt.“ Kay seufzt wehmütig.
„Deine Mom hat dich da zurückgelassen? Bei Menschen, die sie nicht kannte?“
„Meine Mutter ist immer davon ausgegangen, dass ihr Traumprinz gleich um die Ecke auf sie wartet. Sie hat mir einen Zettel hinterlassen, dass sie ihren Seelenverwandten gefunden hätte, und weg waren sie. Sie konnte einfach nicht anders, Ashley. Es lag ihr im Blut, nach dem Mann Ausschau zu halten, der sie ausfüllen würde. Simon und Ruth waren ganz aufgebracht, weil sie eigentlich geplant hatten, zu einer Missionsreise nach Slowenien aufzubrechen, aber nun hatten sie mich.“
„Was hat Simon also gemacht?“ Ich muss zugeben, dass ich vom Schlimmsten ausgehe. Ich kneife die Augen ganz fest zu, um mich auf die Leidensgeschichte vorzubereiten, die ganz sicher gleich kommen wird.
„Er und Ruth haben mich in Pflege gegeben, damit sie auf die Reise gehen konnten.“
„Und was ist dann passiert?“ Ich öffne die Augen wieder.
„Meine Mom ist nach ungefähr einem Jahr wieder zurückgekommen und hat mich aus der Pflegefamilie geholt.“
Vielleicht habe ich zu viele Bücher über Kindesmissbrauch gelesen, aber das hier hört sich nicht so an, als könnte es eine normale Psyche beschädigen. „Wurdest du von der Pflegefamilie missbraucht?“
„Nein, ich war bei einer wirklich netten Familie untergebracht. Sauberes Haus, aufgeräumte Küche …“
„Was denkt Simon also, was du wegen seines Fernsehdienstes anstellen wirst? Es war doch das erste saubere Haus, dass du betreten hast, nicht?“
„Er will nicht, dass ich darüber spreche, wie er mich verlassen hat, und damit ein schlechtes Licht auf ihn werfe. Bedenke, er ist nach Slowenien gegangen und hat mich den Behörden übergeben.“
„Meinst du nicht, dass es eher deine Mutter war, die dich verlassen hat?“
„Nein, die beiden. Sie haben mich verlassen.“
„Aber sie waren doch nicht deine Mutter! Wie könnten Menschen, die dich erst seit drei Wochen kennen, dich verlassen?“
„Meine Mutter hat mich ihrer Obhut überlassen.“
„Ohne sie vorher zu fragen!“
„Der Punkt ist, dass sie mich in christliche Hände übergeben hat.“
Ich höre wieder die Musik aus Twilight Zone. Kays Mutter hat sie also verlassen. Hat sie im Dreck über einer Missionsgemeinde zurückgelassen, und Kay ist sauer auf den Pastor. Seit zwanzig Jahren! Das ist ja wie in einer schlechte Talkshow mit Montel Williams.
„Kay, wenn dir deine Wut auf Simon gerechtfertigt vorkommt, dann hab ich nur ein Wort für dich übrig: Therapie. Du bist seit zwanzig Jahren wütend auf die falsche Person! Ich gebe ja zu, dass es nicht besonders christlich von ihnen war, was sie getan haben, aber Kay, deine Mutter hat dich bei Menschen zurückgelassen, die sie nicht kannte. Für einen Mann!“
„Meine Mutter hat das Beste getan, was sie tun
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