Liebes Glück - Ein Ashley Stockingdale Roman (German Edition)
das auch tun. Wenn ich einen Groll gegen Simon hegen will, dann ist es meine Entscheidung. Mir scheint, du hast genug eigene Probleme, um die du dich sorgen solltest.“
„Musstest du dafür die Küche verlassen?“
„Mir gehen viele Dinge durch den Kopf.“ Kay trinkt einen Schluck von einem widerlich grünen Gebräu, das sie sich zubereitet hat.
„Ich bin nur der Überzeugung, dass es schwerer ist, zwanzig Jahre lang mit einem Geheimnis zu leben, als es auszusprechen.“ Ich streichle Rhetts Kopf. „Ich hatte unrecht. Ich will es nicht einmal mehr wissen. Ich habe nicht die notwendige Bandbreite.“
„Nein, ich habe mich dazu entschlossen, es dir zu erzählen. Weil ich nämlich weiß, dass du dir die Sendung ansehen wirst, um zu erfahren, was es ist.“
Okay. Sie hat mich erwischt.
„Muss ich mich dafür setzen? Ich habe für heute schon genug Gespräche geführt, für die ich mich erst hinsetzen musste. Wenn es tiefgehend ist, könnten wir dann an der Oberfläche bleiben?“
Dann, ohne Vorwarnung, setzt sie zu ihrer Beichtrede an. Offenbar sehe ich heute Abend aus wie Maury Povich, der Talkmaster, und sie ist bereit für den DNA-Test. Man sagt doch, dass Beichten der Seele gut tut, aber meine kann heute nicht noch mehr ertragen. Die Schultern von Jesus sind so viel breiter als meine. Ich höre wieder hin, als sie sagt: „Dann, als ich neun geworden bin …“
„Kapitel eins. Meine Geburt“, sage ich und spiele damit auf Dickens und natürlich Vom Winde verweht an.
„Ashley, willst du es nun hören oder nicht?“
„Im Moment nicht.“ Ich lasse den Kopf in meine Hände sinken. „Es tut mir leid, Kay. Halt mich für eine furchtbare Freundin, aber es war ein schrecklicher Tag.“ Ich möchte am liebsten meine eigene traurige Geschichte erzählen: Dass ich eine Beförderung bekommen habe, die ich nicht wollte. Dass ich meine Möchtegern-Schwiegermutter von der dunklen Seite verärgert habe. Dass ich das hässlichste Haus der Welt geschenkt bekommen habe, und zwar in einem Staat, in dem ich nicht leben will. Und natürlich, dass mein Exfreund eine Jungfrau in Nöten heiraten wird. Aber ich halte den Mund.
„Du hast doch immer einen schrecklichen Tag, Ashley. Setz dich. Ich erzähle dir jetzt meine Geschichte“, verkündet Kay.
Ich lasse mich auf die Couch fallen und setze meine beste Zuhörermiene auf, die ich mir von Oprah abgeschaut habe. Rhett hüpft ebenfalls auf die Couch und nimmt neben mir Platz.
Wir bereiten uns auf die Geschichte vor, die Kay jahrelang in ihrer geregelten Welt gefangen gehalten hat. Ihr angespannter Gesichtsausdruck verrät mir, dass es ihr sogar schwerfällt, die Geschichte einfach nur zu erzählen. Ich verstehe Kay einfach nicht. Sie könnte eine Single-Freizeit für dreihundert Leute ohne auch nur die kleinste Spur von Aufregung organisieren. Aber dieses Thema, das wahrscheinlich den Grund für ihre sorgfältig durchorganisierte Welt birgt, darf nicht angesprochen werden.
„Nach der dritten Ehe meiner Mutter also, als ich vierzehn war, sind wir nach Louisiana gezogen. Da gab es einen Ladenbesitzer, der mir eine Lagniappe überreichte, als meine Mutter bei ihm ein Trockengestell fürs Geschirr gekauft hat. Ich glaube, er hat uns angesehen, dass wir bettelarm waren, da meine Schuhe zu klein waren und ich auf den Fersen laufen musste, weil meine Füße da einfach nicht mehr reingepasst haben.“ Sie lacht über diese Erinnerung. „Die Lagniappe war mehr wert als das Trockengestell. Daran erinnere ich mich.“
„Warte mal, Unterbrechung. Er hat dir was gegeben?“
„Die Lagniappe ist eine Art Gratisgeschenk, das zum Kauf dazugegeben wird, sozusagen. Das, was du bekommst, wenn du dein ganzes Make-up bei Bloomingdale’s kaufst.“
„Verstehe. Erzähl weiter.“
„Auf diesem Geschenk stand der Name einer Gemeinde. Meine Mutter hat mich dorthin mitgenommen, weil sie dachte, dass sie dort vielleicht ein anderes allein erziehendes Elternteil finden könnte, mit dem wir zusammenleben könnten. Simon war damals der Pastor dieser Gemeinde. Es war eine schmuddelige Gemeinde mitten im French Quarter. Es standen überall Kisten herum, weil die Gemeinde den Leuten zu essen gab und Spenden von der Gemeinde annahm. Also gab es da Kisten mit Reis und Bohnen; Dinge eben, die die Leute mit nach Hause nehmen konnten, um ihre Familien zu ernähren.“
„Okay, ich versuche gerade, mir ein Bild von dir im French Quarter zu machen. Es fällt mir schwer, mir dich dort
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