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Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition)

Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition)

Titel: Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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Zigaretten, die er bei der Arbeit nicht rauchen durfte und deshalb am Wochenende in vollen Zügen genoss. Caro piesackte ihn manchmal und fragte, ob sie mal probieren dürfte. Einmal hatte er sie daran ziehen lassen, ihr aber eingeschärft, es nicht unserer Mutter zu sagen.
    Ich war jedoch dabei, also erzählte ich es ihr.
    Es gab Aufregung, wenn auch keinen richtigen Krach.
    »Du weißt, er würde die Kinder hier im Nu rausholen«, sagte unsere Mutter. »Nie wieder.«
    »Nie wieder«, sagte Neal versöhnlich. »Und was, wenn er sie mit diesem giftigen Rice-Krispies-Mist füttert?«
    Am Anfang hatten wir unseren Vater überhaupt nicht gesehen. Dann, nach Weihnachten, war ein Plan für die Samstage ausgearbeitet worden. Unsere Mutter erkundigte sich hinterher immer, ob wir es gut gehabt hatten. Ich sagte immer ja und meinte es auch so, denn ich dachte, wenn man ins Kino ging oder an den Huron-See fuhr oder im Restaurant aß, dann hatte man es gut. Caro sagte auch ja, aber in einem Ton, der zu verstehen gab, dass es meine Mutter nichts anging. Dann flog mein Vater nach Kuba in den Winterurlaub (was meine Mutter etwas überraschend fand und vielleicht auch ganz gut), und kam mit einer hartnäckigen Grippe zurück, deretwegen die Besuche erst einmal ausfielen. Sie sollten im Frühjahr wiederaufgenommen werden, aber bisher hatte sich nichts ergeben.
    Nachdem der Fernseher ausgestellt worden war, wurden Caro und ich rausgeschickt, um rumzulaufen und, wie unsere Mutter sagte, ein bisschen frische Luft zu schnappen. Wir nahmen den Hund mit.
    Als wir draußen waren, befreiten wir uns als Erstes von den Schals, die unsere Mutter uns um den Hals gebunden hatte. (Auch wenn wir vielleicht die beiden Dinge nicht zusammenbrachten, aber je weiter die Schwangerschaft meiner Mutter fortschritt, desto mehr glitt sie zurück in das Verhalten einer normalen Mutter, zumindest, wenn es um Schals, die wir nicht brauchten, oder um regelmäßige Mahlzeiten ging. Das tolle Treiben wurde nicht mehr so verfochten wie im Herbst.) Caro fragte mich, was ich machen wollte, und ich sagte, weiß nicht. Das war von ihrer Seite eine Formalität und von meiner die reine Wahrheit. Jedenfalls ließen wir uns von dem Hund führen, und Blitzee fand, wir sollten uns die Kiesgrube anschauen. Der Wind peitschte das Wasser zu kleinen Wellen auf, und sehr bald fingen wir an zu frieren, also wickelten wir uns die Schals wieder um den Hals.
    Ich weiß nicht, wie viel Zeit wir damit zubrachten, einfach am Rand des Wassers entlangzulaufen, im Bewusstsein, dass wir vom Wohnwagen aus nicht zu sehen waren. Nach einer Weile merkte ich, dass ich Anweisungen erhielt.
    Ich sollte zum Wohnwagen gehen und Neal und unserer Mutter etwas sagen.
    Dass der Hund ins Wasser gefallen war.
    Blitzee ist ins Wasser gefallen, und Caro hat Angst, sie ertrinkt.
    Blitzee. Am Ertrinken.
    Ertrunken.
    Aber Blitzee war doch gar nicht im Wasser.
    Konnte sie aber sein. Und Caro konnte hineinspringen, um sie zu retten.
    Ich glaube immer noch, ich hatte Einwände, etwa wie, sie ist doch nicht, du bist doch nicht, es kann passieren, ist aber nicht. Ich erinnerte mich auch daran, dass Neal gesagt hatte, Hunde ertrinken nicht.
    Caro wies mich an, zu tun wie befohlen.
    Warum?
    Es kann sein, dass ich das fragte, es kann aber auch sein, dass ich einfach dastand, nicht gehorchte und nach weiteren Einwänden suchte.
    In meiner Erinnerung kann ich sehen, wie sie Blitzee hochhebt und wirft, obwohl Blitzee versucht, sich an ihren Mantel zu klammern. Dann, wie sie zurückweicht, um Anlauf auf das Wasser zu nehmen. Losrennt, springt, sich ganz plötzlich ins Wasser stürzt. Aber ich kann mich nicht an das Geräusch des Aufklatschens erinnern, als sie nacheinander im Wasser landeten. Weder an einen kleinen Platsch noch an einen großen. Vielleicht war ich da schon auf dem Weg zum Wohnwagen – es muss so gewesen sein.
    Wenn ich davon träume, renne ich immer. Und in meinen Träumen renne ich nicht zum Wohnwagen, sondern zurück zur Kiesgrube. Ich sehe Blitzee im Wasser herumpaddeln und Caro auf sie zuschwimmen, mit kräftigen Zügen, auf dem Weg, sie zu retten. Ich sehe ihren hellbraunen karierten Mantel und ihren Schal in buntem Schottenkaro und ihren stolzen, erfolgssicheren Gesichtsausdruck und ihre rötlichen Haare, am Ende der Locken dunkel vom Wasser. Ich brauche nichts weiter zu tun als zuzuschauen und glücklich zu sein – mehr wird nicht von mir verlangt.
    In Wirklichkeit stiefelte ich die kleine

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