Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition)
Anhöhe zum Wohnwagen hoch. Und als ich dort anlangte, setzte ich mich hin. Geradeso, als hätte es da eine Veranda oder eine Bank gegeben, dabei besaß der Wohnwagen weder das eine noch das andere. Ich setzte mich hin und wartete auf das, was als Nächstes geschah.
Ich weiß das, weil es eine Tatsache ist. Ich weiß jedoch nicht, was mein Plan war oder was ich dachte. Vielleicht wartete ich auf den nächsten Akt in Caros Drama. Oder in dem des Hundes.
Ich weiß nicht, ob ich dort fünf Minuten lang saß. Länger? Kürzer? Es war nicht allzu kalt.
Ich ging deswegen einmal zu einer Therapeutin, und sie überzeugte mich – zumindest für eine Weile –, dass ich versucht haben musste, die Tür des Wohnwagens aufzumachen, und sie abgeschlossen fand. Abgeschlossen, weil meine Mutter und Neal miteinander schliefen und nicht gestört werden wollten. Wenn ich an die Tür geklopft hätte, wären sie böse geworden. Die Therapeutin war zufrieden, mich zu dieser Schlussfolgerung gebracht zu haben, und ich war es auch. Eine Zeitlang. Aber ich glaube nicht mehr, dass es so war. Ich glaube nicht, dass sie die Tür abgeschlossen hatten, denn ich weiß noch, dass sie es einmal nicht getan hatten, und Caro spazierte hinein, und sie lachten über ihren Gesichtsausdruck.
Vielleicht war mir eingefallen, dass Neal gesagt hatte, Hunde können nicht ertrinken, was bedeutete, dass Caros Rettung von Blitzee gar nicht notwendig war. Deswegen war es ihr gar nicht möglich, ihr Spiel in die Tat umzusetzen. Caro und ihre Spiele.
Dachte ich, dass sie schwimmen konnte? Mit neun können das viele Kinder schon. Und tatsächlich stellte sich heraus, dass sie im Sommer zuvor eine Stunde Schwimmunterricht gehabt hatte, aber dann waren wir in den Wohnwagen gezogen, und so hatte sie keine weiteren genommen. Sie mag gedacht haben, sie käme gut zurecht. Und ich mag wohl gedacht haben, dass sie alles schaffen konnte, was sie sich vornahm.
Die Therapeutin deutete nicht an, dass ich es vielleicht leid war, Caros Befehle auszuführen, aber der Gedanke kam mir von allein. Er scheint jedoch nicht ganz richtig zu sein. Wenn ich älter gewesen wäre, vielleicht. Zu jener Zeit erwartete ich von ihr immer noch, dass sie meine Welt gestaltete.
Wie lange saß ich da? Wahrscheinlich nicht lange. Und es kann sein, dass ich wirklich anklopfte. Nach einer Weile. Nach ein oder zwei Minuten. Auf jeden Fall machte meine Mutter dann doch irgendwann die Tür auf, ohne bestimmten Grund. Eine Vorahnung.
Dann bin ich im Wohnwagen. Meine Mutter schreit Neal an und versucht, ihm etwas begreiflich zu machen. Er erhebt sich, steht da und redet auf sie ein, fasst sie an, voller Milde und Sanftheit und Trost. Aber das ist überhaupt nicht das, was meine Mutter will, sie reißt sich von ihm los und rennt zur Tür hinaus. Er schüttelt den Kopf und schaut auf seine nackten Füße. Seine großen, hilflos aussehenden Zehen.
Ich glaube, er sagt etwas zu mir, mit traurigem Singsang in der Stimme. Seltsam.
Darüber hinaus sind mir keine Einzelheiten geblieben.
Meine Mutter stürzte sich nicht ins Wasser. Trotz des Schocks setzten die Wehen nicht ein. Mein Bruder Brent wurde erst eine Woche oder zehn Tage nach der Beerdigung geboren, und er war keine Frühgeburt. Wo sie war, während sie auf die Geburt wartete, weiß ich nicht. Vielleicht wurde sie im Krankenhaus behalten und so weit, wie es unter den Umständen möglich war, ruhiggestellt.
Ich erinnere mich recht gut an den Tag der Beerdigung. Eine sehr angenehme und freundliche Frau, die ich nicht kannte – sie hieß Josie –, machte mit mir einen Ausflug. Wir besuchten mehrere Schaukeln und eine Art Puppenhaus, groß genug, dass ich hineinkrabbeln konnte, und zum Mittagessen gab es meine Lieblingsspeisen, aber nicht so viel davon, dass mir schlecht wurde. Josie war eine Frau, die ich später gut kennenlernte. Mein Vater hatte sich auf Kuba mit ihr angefreundet, und nach der Scheidung wurde sie meine Stiefmutter, seine zweite Frau.
Meine Mutter erholte sich. Sie musste. Sie hatte Brent zu versorgen und lange Zeit auch mich. Ich glaube, ich war bei meinem Vater und Josie, als sie sich in dem Haus einrichtete, in dem sie den Rest ihres Lebens verbringen sollte. Ich kann mich nicht daran erinnern, mit Brent dort gewesen zu sein, bevor er groß genug war, um in seinem Kinderstühlchen zu sitzen.
Meine Mutter kehrte zu ihren alten Pflichten am Theater zurück. Anfangs mag sie gearbeitet haben wie zuvor, als
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