Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition)
will nicht gelöchert werden, was los ist, wo ich selber nicht mehr weiß als die.«
Er fragte wieder, ob Jackson das auch bestimmt nichts ausmachte, und Jackson sagte, nein, geht schon klar.
»Haben Sie einfach ein Auge auf jeden, der rein- und rausgeht, lassen Sie sich die Schlüssel zeigen. Sagen Sie ihnen, es ist ein Notfall, wird nicht lange dauern.«
Er wollte schon gehen, drehte sich aber noch einmal um.
»Sie können sich ebenso gut hinsetzen.«
Da war ein Stuhl, den Jackson noch nicht bemerkt hatte. Zusammengeklappt und aus dem Weg geräumt, damit der Rettungswagen Platz hatte. Es war nur einer von diesen Segeltuchstühlen, aber bequem genug und stabil. Jackson stellte ihn dankend an einer Stelle auf, wo er Passanten oder Hausbewohner nicht störte. Niemand nahm von ihm Notiz. Er wollte schon das Krankenhaus erwähnen und die Tatsache, dass er selbst bald dorthin zurückmusste. Aber der Mann hatte es eilig gehabt und schon genug Sorgen, und er hatte versichert, dass er so schnell, wie er konnte, wieder da sein würde.
Sobald Jackson sich hingesetzt hatte, merkte er, wie lange er schon auf den Beinen gewesen war auf seinem ziellosen Spaziergang.
Der Mann hatte ihm gesagt, er könne sich einen Kaffee oder etwas zu essen holen aus dem Donut-Laden, wenn ihm danach war.
»Sie brauchen denen bloß meinen Namen zu sagen.«
Aber diesen Namen wusste Jackson natürlich nicht.
Als der Hausbesitzer zurückkam, entschuldigte er sich für seine Verspätung. Der Mann, den der Rettungswagen fortgebracht hatte, war gestorben. Es gab vieles zu regeln. Ein neuer Satz Schlüssel wurde gebraucht. Da war er. Dann die Beerdigung und zuvor Benachrichtigungen an die im Haus, die schon lange hier wohnten. Dazu eine Anzeige in der Zeitung, falls noch jemand kommen wollte. Eine schwierige Zeit, bis das alles erledigt war.
Es würde das Problem lösen. Falls Jackson konnte. Vorübergehend. Es brauchte nur vorübergehend zu sein.
Jackson hörte sich sagen: Ja, einverstanden.
Wenn er ein bisschen Zeit benötigte, das ließ sich einrichten. So hörte er diesen Mann – seinen neuen Chef – sagen. Gleich nach der Beerdigung und der Entsorgung einiger Dinge. Dann konnte er ein paar Tage haben, um seine Angelegenheiten zu regeln und richtig einzuziehen.
Das war nicht notwendig, sagte Jackson. Seine Angelegenheiten waren geregelt, und alles, was ihm gehörte, trug er am Leib.
Natürlich weckte das Misstrauen. Jackson war nicht überrascht, als er ein paar Tage später hörte, dass sein neuer Arbeitgeber sich bei der Polizei erkundigt hatte. Aber offenbar war alles in Ordnung. Er war eben nur einer von diesen Einzelgängern, die sich vielleicht auf die eine oder andere Art in Schwierigkeiten gebracht, aber nie gegen irgendein Gesetz verstoßen hatten.
Außerdem sah es ganz so aus, als würde er von niemandem gesucht.
In der Regel war es Jackson lieber, ältere Leute im Haus zu haben. Die noch dazu alleinstehend waren. Allerdings keine Stumpfsinnigen. Sondern Leute mit Interessen. Oder auch manchmal mit einer Begabung. Einem Talent, mit dem sie sich früher hervorgetan und Geld verdient hatten, auch wenn es sie nicht durchs ganze Leben getragen hatte. Ein Sprecher, dessen Stimme im Radio vor vielen Jahren während des Krieges vertraut gewesen war, dessen Stimmbänder jedoch inzwischen zerfetzt waren. Die meisten Leute hielten ihn wahrscheinlich für tot. Aber hier war er in seiner Junggesellenwohnung, hielt sich auf dem Laufenden und hatte
The Globe and Mail
abonniert, die er an Jackson weiterreichte für den Fall, dass etwas drinstand, was ihn interessierte.
Einmal stand tatsächlich etwas drin.
Marjorie Isabella Treece, Tochter von Willard Treece, langjähriger Kolumnist des
Toronto Evening Telegram
, und seiner Frau Helena (geborene Abbott) Treece, Jugendfreundin von Robin (geborene Shillingham) Ford, ist nach tapferem Kampf gegen den Krebs von uns gegangen. Bitte in Oriole-Lokalausgabe übernehmen. 18 . Juni 1965 .
Nichts davon, wo sie zuletzt gewohnt hatte. Wahrscheinlich in Toronto, nach dieser Erwähnung von Robin. Sie hatte also länger durchgehalten, als zu erwarten war, und sich vielleicht halbwegs wohl gefühlt, bis kurz vor dem Ende natürlich. Sie hatte viel Begabung dafür gezeigt, sich den Umständen anzupassen. Vielleicht mehr, als er selbst besaß.
Nicht, dass er seine Zeit damit verbrachte, sich die Zimmer vorzustellen, die er mit ihr geteilt hatte, oder die Arbeit, die er in ihr Haus gesteckt
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