LIEBES LEBEN
ist.
Ich selbst bin Trivial-Pursuit-Fanatikerin, aber die Ingenieure sprechen zwar die Weltsprache der Mathematik, kennen sich aber mit nutzlosen Tatsachen nicht aus. In der Single-Gruppe haben wir es ein paar Mal gespielt, und ich musste dann immer feststellen, dass ich gerade noch weiß, dass der Zweite Weltkrieg vorbei ist, dafür aber eine Titelgeschichte aus dem People Magazin von 1988 Wort für Wort wiedergeben kann. Irgendetwas muss man mit dieser Art von Begabung doch anfangen können, oder? Vielleicht gibt es irgendwo in Washington so eine Art Lasst-unsdiesen-modischen-Missgriff-nicht-noch-mal-machen-Expertenkommission.
Als ich ins Café komme, bestelle ich eine doppelte Latte macchiato und setze mich an einen der Tische, an denen die anderen Singles sitzen, die nichts Besseres vorhaben. Wir lächeln uns zu, sind etwas peinlich berührt, hier zu sein, aber dann eröffnet Kay die Show, und alles wird ein bisschen lockerer. Kay ist eine großartige Moderatorin, weil sie es so gerne macht und sich nicht darum schert, was andere denken. Diese Gabe muss ungeheuer befreiend sein. Ich beneide sie darum. Vor dieser Gruppe einen Bauchtanz aufführen zu können wäre sehr aufbauend.
»Willkommen zu unserer zweiten halbjährlichen Nacht des offenen Mikros der Single-Gruppe der First Community Kirche!« Rufe und Jubel. Es klingt wie bei der Trigonometrie-Olympiade in der Highschool. Ich bin unter lauter Mathe-Athleten! Die Mitarbeiter an der Theke rollen die Augen, und ich wünschte, ich könnte so etwas einfach ignorieren oder würde es gar nicht bemerken. Unsere Gruppe merkt nicht, dass sie lächerlich wirkt. Warum muss mir das auffallen? Offensichtlich bin ich die Einzige, die es merkt. Oh Gott, kannst du mich nicht blind machen für so etwas? Kannst du mich nicht auch gesellschaftsunfähig machen, damit ich mich hier amüsieren kann?
Ich möchte durchs Leben gehen und denken, dass der christliche Colin Firth jeden Moment um die Ecke kommt, wenn ich dazu bereit bin, dass er sich bereitwillig mit meinem übergroßen Jennifer-Lopez-Hintern und meinem ärmlichen gesellschaftlichen Leben abfinden und mich in ein idyllisches Leben auf irgendeiner Tropeninsel entführen würde, wo er ehrfürchtig erstarren würde vor meiner ungemeinen Kenntnis aller Belanglosigkeiten über Johnny Depp.
Seufz.
»Als Erster wird uns heute Abend Seth Greenwood etwas vorführen.«
Ich klatsche höflich und frage mich, ob Seth überhaupt ahnt, dass er mich gekränkt hat. Seth hat zwei Becher in den Händen und zeigt uns, dass man ein Ei zum Schwimmen bringen kann, indem man Salz ins Wasser rührt. Ich ziehe die Augenbrauen hoch. Davon wäre Arin ganz bestimmt zutiefst beeindruckt. Schade, dass sie nicht hier ist. In mir kommt wieder Glenn Close hoch. Übergehen wir das einfach.
»Als Nächstes«, Kay wendet sich an ihre zuverlässige Stütze, das Klemmbrett mit der Liste, »einen Applaus für Sam Wong, der uns die Sterbeszene von Spock aus Star Trek vorführen wird.« Sam hat seinen beleibten Körper in ein Star-Trek-Kostüm gezwängt und sieht ehrlich gesagt eher wie ein Teletubbie-Matrose aus als wie ein Vulkanier, aber ich blende die Realität aus, um die Szene genießen zu können.
Sam stottert und zieht seine aufgemalten Vulkanier-Augenbrauen zusammen, während er mit einem unsichtbaren Captain Kirk spricht. »Trauert nicht. Mein Opfer ist ganz logisch. Die Not der Vielen wiegt schwerer als die Not Weniger oder eines Einzelnen.« Das Drama spitzt sich zu, als Sam vorgibt, im Sterben zu liegen, den Vulkanier-Gruß zeigt und Captain Kirk aufträgt, ein gutes und langes Leben zu leben. Dann drückt er auf den Knopf des Kassettenrecorders, aus dem eine mitreißende Version von Amazing Grace mit Dudelsäcken erschallt.
Die Zuschauer drehen durch, und ich frage mich, wie irgendjemand dem hier etwas abgewinnen kann - dieser großartigen Vorführung theatralischer Ingenieurskunst.
»Jake, du bist dran, Kumpel«, sagt Kay.
Jake steht auf und verbeugt sich erst einmal. Ich schwöre mir selbst, dass ich mich diesmal nicht zu der Bedienung hinter der Theke umdrehen werde. Ich mache Fortschritte.
»Ich brauche eine hübsche Assistentin.« Jake schaut geradewegs zu mir herüber, und ich fange sofort an, in meiner Handtasche nach etwas zu suchen, das ich wohl zu Hause vergessen habe. Aber es ist zwecklos; Jake kommt schon auf mich zu.
»Ashley, würdest du mir die Ehre erweisen?«
Er nimmt meine Hand und zieht mich hoch.
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