LIEBES LEBEN
etwas.«
Ich schüttle heftig den Kopf. »Ich kann nicht. Dazu bin ich nicht begabt. Wo ist dein Freund?«, frage ich und hoffe, damit von dem Gedanken abzulenken, dass ich irgendetwas anderes vortragen könnte, als ein Patent zu erklären.
Arin zieht eine Schnute. »Mein Freund muss lernen. Samstags abends. Gibt es etwas Schlimmeres? Nur gut, dass er so gut aussieht, habe ich ihm gesagt.« Sie stemmt ihre winzigen Fäuste in ihre nicht vorhandenen Hüften. Als meine Hüften das letzte Mal so schmal waren wie ihre, war ich in der sechsten Klasse. Ich schaue genauer hin. Vielleicht noch nicht einmal.
»Komm schon, Ashley. Das macht Spaß. Wir haben doch nichts zu verlieren. Wir singen jeden Sonntagmorgen.«
»Das ist was anderes.«
»Da vorne ist eine Karaoke-Maschine. Komm schon.« Arin steht auf und zieht mich hoch. Vergessen Sie nicht, dass ich immer noch voller Kaffee bin und jetzt neben einer entzückenden Blonden mit Größe sechsunddreißig stehe. Von Seths Anwesenheit ganz zu schweigen. Merke: Sei niemals zu wählerisch, was das Samstagabend-Fernsehprogramm angeht.
Kays Liste ist plötzlich uninteressant, und alle staunen bei dem Anblick dieser jungen, geheimnisvollen Arin, die zu uns gestoßen ist und jetzt nach vorn geht. Wir sind die ewigen Singles. Sie wird nicht lange Single bleiben.
Sie schlägt das Karaoke-Buch auf und sucht ein Lied aus. Die Musik fängt an, und bevor ich es merke, singen wir mit schmachtender Stimme ein Liebeslied von Cher.
»Uuuh-uuuh-uuuh«, singe ich, während Arin den lebhaften Teil übernimmt. Am Schluss kichern wir nur noch, und ich stelle erschreckt fest, dass es mir tatsächlich Spaß gemacht hat. »Komm, noch mal!«
»Diesmal suchst du was aus.« Arin und ich kichern immer noch, und unsere gute Laune steckt die anderen an, so dass dieser steife Haufen von Ingenieuren tatsächlich verrückt spielt. Jedenfalls mehr als bei Spocks Sterbeszene. Unter diesen Umständen könnten wir sogar Matrix schlagen. Mein Selbstbewusstsein wächst von Minute zu Minute.
»Die Macarena!«, rufe ich.
Die Musik fängt an, und wir fangen sofort mit den Handbewegungen an. Wer hätte gedacht, dass dieser Trupp den Macarena-Tanz kennt? Wir schwingen mit den Hüften und wackeln mit dem Hintern, bis die Musik zu Ende ist, und wieder kriege ich vor Lachen fast keine Luft mehr.
»Ashley, ich wusste gar nicht, dass du tanzen kannst.« Seth steht neben mir.
»Für die Macarena muss man nicht wirklich tanzen können«, erkläre ich. »Das kann sogar eine Patentanwältin.«
»Hallo«, begrüßt Seth Arin. »Ich bin Seth Greenwood.«
Arin nickt. Selbst die Art, wie sie nickt, ist süß. »Nett, dich kennen zu lernen. War Ashley nicht großartig? Ich wusste doch, dass hinter dieser Anwaltsfassade eine Rockerin verborgen ist. Eine wilde Frau, die nur darauf wartet, freigelassen zu werden.«
Ich muss einen riesigen Kloß in meinem Hals hinunterschlucken, als ich auf seine Antwort warte. Er schaut nicht Arin, sondern mich an, und ich kann plötzlich gar nicht mehr glauben, dass ich bei Starbucks getanzt und gesungen habe. Habe ich denn gar kein Schamgefühl mehr? Bei dem Gedanken muss ich wieder anfangen zu lachen.
»Ich habe hin und wieder schon mal was von ihrer wilden Seite gesehen«, erwidert Seth zwinkernd. »Du hättest sie letzten Sommer auf der Wasserrutsche sehen sollen.«
Ich spüre, wie mein Kopf heiß wird. »Ich brauche einen Eistee.« Ich flüchte mich an die Theke.
Als ich mich umdrehe, sehe ich, dass Seth und Arin in der Tat ein nettes Paar wären. Sie hört ihm zu, als seien seine Worte Perlen, und ich spüre, wie mein Herz heftig anfängt zu klopfen bei dem Anblick. Gott, wenn jetzt der Teil kommt, an dem ich meinen Traum loslasse, damit jemand anderes glücklich werden kann, äh, könnten wir das Skript dann noch mal überarbeiten?
Arin kommt ohne Seth zu mir an die Theke. »Scheint ein netter Kerl zu sein, Ashley. Bist du schon mal mit ihm ausgegangen?«
»Mit Seth? Nein, noch nicht. Ich gehe nicht viel mit Männern aus.«
Arin macht eine abwertende Handbewegung. »Ich auch nicht. Wozu auch?«
Ich zucke mit den Achseln. »Willst du denn gar nicht heiraten?«
»Ha!« Damit wirft Arin ihre langen, schönen, blonden Haare zurück. »Nicht in diesem Leben. Jedenfalls nicht bevor ich fünfunddreißig bin. Nur wenn ich jemanden finde, der mit mir durch die Welt reist. Jemand, der das Leben liebt und nicht nur mit dem Berufsalltag hier zufrieden ist, wie all diese
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