LIEBES LEBEN

politisch korrekten Geschäftswelt. Das färbt schon auf deine Ausdrucksweise ab. Ehrlich gesagt ist es manchmal kaum zu glauben, dass du in diesem Haus hier aufgewachsen bist, Ashley.«
    »Mama, ich komme noch zu spät zum Gottesdienst. Wann ist die Hochzeit, damit ich weiß, für wann ich die Brautparty planen soll?«
    »Sie werden nächsten Monat eine ganz kleine Hochzeit in der chinesischen Gemeinde feiern. Am Valentinstag.«
    Eine kirchliche Trauung? Und am Valentinstag? Das ist deprimierend. Ich werde am weltweiten Tag der Liebe ein Brautjungfernkleid tragen. Wenn das dem Fass nicht den Boden ausschlägt.
    »Verstanden, Mama. Wir sprechen uns später noch wegen der Planung. Ich muss los.« Ich lege auf und sehne mich danach, in den Gottesdienst zu kommen und wieder zu beten, denn ich gehe auf dem Zahnfleisch. Ich möchte mich für meinen Bruder freuen, aber in mir ist dieses eifersüchtige Mädchen, das sich lauthals über die Ungerechtigkeit des Lebens beklagt. Ich bin die Ältere; ich sollte zuerst heiraten!
    Als ich im Gottesdienst bin, versuche ich, mich auf den Kern der Predigt zu konzentrieren und zu hören, was Gott mir heute sagen will, aber meine Gedanken sind zu sehr mit anderem beschäftigt.
    Ich muss heute nicht singen, und das ist gut, aber Seth sitzt neben mir, und das ist ganz schlecht. Er lehnt sich ständig zu mir herüber und flüstert mir irgendetwas von Arin ins Ohr und ihrer möglicherweise im Entstehen begriffenen Beziehung. In mir kommt immer wieder dieser seltsame Gedanke hoch: Wenn ich jetzt eine Wäscheklammer in meiner Handtasche finden würde, wie die Kandidatinnen in dieser alten Spieleshow, die am Schluss entweder Preise oder seltsame Dinge in ihren Handtaschen hatten, dann könnte ich ihm den Mund zuklemmen.
    »Hast du mit Arin über mich gesprochen?«, flüstert er.
    »Ein bisschen«, flüstere ich zurück. Ja, ich habe ihr gesagt, dass du der Typ mit der Glatze bist. Ich schüttle nur den Kopf. Genug gesagt jetzt, oder? Falsch. Wir sprechen hier von Seth. Und eines kann man ganz bestimmt von Ingenieuren behaupten: Sie haben zwar von Romantik nicht die leiseste Ahnung, aber sie sind auch extrem wettbewerbsorientiert. Arin ist plötzlich sein Ziel, und Seth wird mit ganzer Kraft darauf zusteuern, und wenn es ihn seine letzte Haarzelle kosten sollte.
    »Hat sie irgendetwas über mich gesagt?«
    Ich sehe ihn schon fast schwanzwedelnd vor mir. »Seth, sie hat einen Freund.« Ich flüstere ein bisschen zu laut, und mein Nebensitzer wirft mir einen verärgerten Blick zu. »Macht es dir denn gar nichts aus, dass du hinter der Freundin eines anderen her bist?«
    Er bekommt große Augen. Oh, diese wunderschönen, leuchtenden, edelsteinfarbenen Augen. Wie schade, dass sie nur Seths unglaubliche Blindheit verbergen. Das Leben ist definitiv unfair.
    »Sie ist erst vierundzwanzig, Ash. Wie ernst kann eine Beziehung da schon sein?«
    Jetzt hat er mich. »Nicht ernst genug, um sie hier zu halten. Sie geht bald zu einem Missionseinsatz nach Costa Rica, um Zahnärzten zu helfen.« Ich frage mich, ob Missionseinsätze im Ausland zugenommen haben, seit es diese Survival-Sendungen gibt. Das klingt alles so entsetzlich romantisch.
    Arins A-cappella-Solo unterbricht unsere Unterhaltung, und Seth ist sofort still. Er schaut verträumt zum Altar, und ich spüre, wie sich mir der Magen umdreht. Er lauscht mit gefalteten Händen, als höre er Engel singen. Ich sehe, wie sich sein Brustkorb heftig hebt und senkt, während er sie beobachtet. Ich habe Mitleid mit diesem Kerl, aber ein bisschen koche ich auch innerlich, wenn ich an meine Träume von einem Brillantring neulich denke.
    Die Bibel sagt den Männern ganz deutlich, dass Schönheit vergänglich ist, aber sie scheinen ihr hinterherzujagen wie einem Blatt im Wind, taumeln und schnappen danach, während ein anderes, viel feineres und farbenfroheres Blatt am Baum hängt.
    Arins Solo ist vorbei, und er greift unsere Unterhaltung sofort wieder auf. »Wo geht sie hin?«
    »Nach Costa Rica. Auf einen Missionseinsatz«, wiederhole ich. Ich folge Seths Blick zu Arin und muss zugeben, dass sie faszinierend schön ist. Es ist nicht ihr Aussehen. Sie hat so etwas an sich, dass man sie unmöglich übersehen kann. Ich wünschte, ich hätte nur einen Tag lang diese Ausstrahlung. Wenn ich Seth so ansehe, weiß ich, dass das seine Vorteile hat. Zum Beispiel Seths Aufmerksamkeit zu bekommen.
    Mein Satz hat Seth frontal getroffen. Sein Kopf fährt herum wie eine