LIEBES LEBEN
ich werde derweil in ein Drittweltland geschickt, um den Clown zu machen. In Taiwan ein Patent zu verteidigen ist relativ witzlos, da dort Zugeständnisse, die in Verhandlungen gemacht werden, selten eingehalten werden. Während Purvi zur Vizepräsidentin aufsteigt, verschmachte ich im Straßengraben. Purvi bekommt nicht nur den besseren Fall, sondern auch noch den besten Kaffee!
Als ich zu meinem Schreibtisch komme, sehe ich, dass er mit dem übersät ist, was Purvi den ganzen Morgen getan hat. Ich zahle den Preis dafür, dass ihre Nachbarin für sie ihren Sohn zur Schule bringt. Ein ungutes Gefühl steigt in mir auf, als ich einen Umschlag sehe, den mein Vermieter letzte Woche für mich abgegeben hat. Ich bin mir sicher, dass es nur eine Mitteilung ist, wann sie Ameisengift sprühen werden, aber ich habe ihn nicht geöffnet und frage mich jetzt, ob ich womöglich schon eingenebelt wurde und das der Grund für meine jüngsten Fehlschläge bei Verabredungen ist. Ameisengift .
Ich reiße den Umschlag auf und überfliege alles. Meine Augen bleiben auf dem Satz »einen Monat Zeit zur Räumung der Wohnung« hängen. Bei genauerem Hinsehen stelle ich fest, dass mein Vermieter aufgrund der schlechten Wirtschaftslage aus dem Mietgeschäft aussteigen will. Er will die Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umwandeln und sie einzeln günstig verkaufen. Die gute Nachricht ist, dass ich das Vorkaufsrecht auf meine Wohnung habe, nachdem sie renoviert ist, für schlappe 40.000 Dollar Anzahlung. Schluck. Hust. Spuck.
Noch mehr Panik erfasst mich, als ich feststelle, dass die Mitteilung schon eine Woche alt ist. Das heißt, mir bleiben nur noch drei Wochen, um eine neue Wohnung zu finden. Zwei Wochen, wenn man noch die Zwangsarbeit in Taipeh abzieht. Ich schnappe den Umschlag und stürme zurück in Purvis Büro.
»Purvi, meine Wohnung wird verkauft. Ich habe noch drei Wochen Zeit, etwas Neues zu finden.«
Sie schaut an mir vorbei in mein Büro zu dem Stapel Aktenmappen, die dort auf mich warten. »Das wird schwer, vor allem mit deiner Geschäftsreise.«
»Ich hatte vor, im Mai etwas zu kaufen, aber nicht diese Wohnung.« Weiß Gott, warum ich ihr diese Einzelheit erzähle. Purvi interessiert meine Lage offensichtlich nicht, und meine Absichten, unter die Immobilienbesitzer zu gehen, sind nicht ihre Angelegenheit. Sie verklagt das böse Reich der Russen. Und ich habe ein Wohnungsproblem im Großraum San Francisco. Welche Neuigkeit!
Zur Betonung knallt Purvi einen Stift auf den Schreibtisch.
»Ashley, du hast dir schon letzten Montag freigenommen wegen dieses Babyproblems von deiner Freundin. Du hast die Stunden noch nicht annähernd aufgeholt. Dieses Wochenende habe ich dich noch überhaupt nicht hier gesehen. Du hast einen ganzen Berg voll Arbeit auf deinem Tisch.« Ihre Stimme wird sanfter.
»Vielleicht solltest du einfach bei deinen Eltern einziehen, bis dieses Verfahren vorbei ist. Das wäre das Einfachste.«
Das war ein Stich ins Herz. Ungläubig lege ich die Hand auf die Brust. Hat sie gerade gesagt, ich soll bei meinen Eltern einziehen? Sie weiß offensichtlich nicht, dass mein Versagerbruder dort wohnt und wahrscheinlich seine ausländische Braut auch noch anschleppen wird. Ich schlage mir an die Stirn. »Die Hochzeit!«
»Was ist jetzt schon wieder?« Purvi ist offensichtlich verärgert über mich. Sie hat die erstaunliche Fähigkeit, bei der Arbeit alle Gefühle auszuschalten. Ich dagegen bin ein einziges Nervenknäuel, und im Moment liegen sie leider ziemlich bloß. Ich bin wie ein Jo-Jo, das sich abwickelt und nicht mehr aufwickeln wird.
»Mein Bruder heiratet nächsten Monat. Das habe ich ganz vergessen. Ich muss meiner Mutter helfen, die Brautparty vorzubereiten.«
Purvi zuckt mit den Schultern. »Wie ich schon sagte, zieh für eine Weile zu deinen Eltern. Klingt, als seist du ziemlich eingedeckt mit Arbeit.« Sie wendet sich wieder ihren Besprechungsprotokollen zu. »Du solltest dich freuen, dass du deine Eltern überhaupt noch siehst. Ich habe meine nicht mehr gesehen, seit ich in die Familie meines Mannes eingeheiratet habe. Das ist jetzt meine Familie. Nutze es, solange du kannst.«
Oh, wie ich mir wünschte, dass eine Hochzeit und ein Umzug meine Familienprobleme so einfach lösen könnten. In meinem Büro klingelt das Telefon, und ich ergreife die Gelegenheit, aus Purvis Büro zu flüchten. Überaus professionell nehme ich den Anruf entgegen, um Purvi zu zeigen, dass ich alles unter Kontrolle
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