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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Decke herunter, und auf seinem
     Bauch saß der Nationalheilige und blickte, gepanzert und bewaffnet, trüb ins Nichts. Tyra hatte die Hände flach auf den Tisch
     gelegt, jetzt griff sie zu einem Brötchenmesser und umfuhr ihre gespreizten Finger und ritzte aus Versehen eine Zwischenfingerfalte.
     Der Mann am Nebentisch wurde auf sie aufmerksam, er betrachtete den kleinen Tropfen Blut an ihrer Hand, er verlor bald das
     Interesse und las in seinem Buch weiter, das zweite Glas Wein vor ihm war fast ausgetrunken. Tyra brach das Schweigen.
    Was trinkst du da eigentlich?
    Kofola, sagte ich, tschechische Cola.
    Schmeckt sie dir?
    Ist sehr süß, sagte ich, braungefärbtes Zuckerwasser. Ich will nicht lügen, sagte sie, es will mir einfach nicht leid tun,
     was ich vorhin gesagt habe.
    Dann trinke ich schnell aus, und du siehst mich nicht wieder.
    Warte, bitte, sagte sie, mir war der Säufer egal. Dich habe ich plötzlich gehaßt.
    Ein großer Schluck von der Kofola, und ich bin verschwunden, sagte ich.
    Hör’ auf damit.
    Soll ich dich auch noch psychologisch betreuen? Was sollen diese verdammten Spielchen?! Ich bin wohl nicht der Richtige, das
     habe ich verstanden. Ich passe nicht in deine Pläne.
    Ich habe keine Pläne, sagte sie, nicht, wenn es darum geht.
    Du weißt nicht, was dir fehlt. Und du weißt nicht, was du willst – keine gute Grundlage für eine Liebe.
    Wer spricht von der Liebe? rief sie laut.
    Ich, schrie ich, ich tue es, verdammt noch mal.
    |277| Der Leser am Nebentisch fiel vor Schreck fast vom Stuhl, und weil ich nicht zu der Sorte Mann gehörte, mit der man sich am
     besten nicht anlegte, wagte er einen strengen Blick, auch die anderen Männer an den Nebentischen starrten mich finster an,
     und es paßte, daß genau in diesem Augenblick mein Handy klingelte, ich wies den Anruf mit einem Tastendruck ab, ein paar Sekunden
     später klingelte es erneut.
    Was ist los? rief ich.
    Du spielst Bäumeschütteln in Prag, sagte Gabriel, warst du erfolgreich?
    Es paßt im Moment nicht.
    Ich rufe dich später aber nicht wieder an.
    Fasse dich kurz, sagte ich.
    Sie sind in deine Wohnung eingebrochen, sagte er, ich habe mit der Polizei gesprochen und ihnen erzählt, daß nichts Wertvolles
     herumlag. Woher willst du das wissen?
    Diese Bullen gingen mir auf die Nerven.
    Verdammt, Gabriel, du Spinner, rief ich, ich habe meine Rolex nicht mitgenommen.
    Ich denke, sie ist nicht echt.
    Das habe ich nur gesagt, damit man mir nicht irgendwann nachts die Hand mit der Uhr abhackt.
    Was jetzt? Soll ich nachschauen?
    Bitte, sagte ich.
    Ich preßte das Handy an mein Ohr und nahm einen Schluck von der tschechischen Cola, ich hörte am anderen Ende der Leitung
     Gabriel meine Wohnungstür aufschließen und eintreten, er lief herum, ich hörte zerbrochenes Glas unter seinen Sohlen knirschen.
    Wo soll ich nachschauen? sagte er.
    Unter der Bodenmatratze, sagte ich.
    Ist weg.
    Oh nein!
    |278| Ist da, sagte er, war nur ein Scherz.
    Du hast nichts von dem Einbruch mitbekommen?
    Nein, ich war noch unterwegs. Die Nachbarn über uns haben die Polizei gerufen. Es ging wohl sehr schnell. Rein, raus … Deine
     Rolex ist also nicht geklaut. Hast du auch Glück in Prag?
    Ich fürchte, nein, sagte ich, wir sprechen uns später.
    Du bist ja Kummer gewohnt, sagte er lachend und legte auf.
    Bei mir ist eingebrochen worden, sagte ich, doch Tyra reagierte nicht, sie hatte in der Zwischenzeit einen Kaffee bestellt
     und ihn seltsamerweise sofort bekommen, ich hatte Lust, ihr davon zu erzählen, daß mir diese Dinge passierten, seitdem ich
     sie kannte, sie hätte aber gefragt, was denn ›diese Dinge‹ wären, und mir dann entgegnet, daß sie nichts dafür konnte und
     ich das Unheil auf mich zog. Nur ich allein.
    Hältst du mich für eine Lügnerin? sagte sie.
    Manchmal biegst du dir die Wahrheit zurecht … kleine fromme Lügen.
    Ich glaube, das ist unsere letzte Begegnung.
    Das Gefühl habe ich auch, sagte ich, und es bringt mich fast um.
    Ach, sagte sie ärgerlich und wandte sich plötzlich zu dem Mann am Nebentisch um, sie bat ihn auf englisch ›dringend‹, das
     Starren einzustellen, sonst würde sie sich bei der Kellnerin und dem Cafébesitzer beschweren, der Mann lief rot an, verrückte
     den Stuhl und kehrte uns den Rücken zu. Mir war die Szene peinlich, mir war es peinlich, daß ich feststeckte und dieser Frau
     mir gegenüber eine psychologische Betreuung nahegelegt hatte, das alles lief auf ein furchtbar ärgerliches Ende

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