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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Entlaufene, die wenigen Menschen, mit denen
     er sprach, konnten es bezeugen. Es ist eine Sünde! riefen die Frauen aus, er vergleicht eine Heilige mit einer Ehebrecherin.
     Sie sprachen zwar gerne mit ihrer Freundin |195| in der Schweiz, doch ihre große Erleichterung über ihre Flucht von einem vorgestrigen Mann mußten sie, weil sie bis zu ihrem
     Tod dableiben mußten, natürlich verurteilen. Sie würde eine Münze werden, die von Hand zu Hand ging, der junge Mann hätte
     sich hier in Prag dem rechtmäßigen Ehemann stellen müssen, er hätte einen Übersetzer damit beauftragen müssen, wenigstens
     einen langen Brief über sein Liebesfeuer vom Schweizerischen ins Tschechische zu übertragen. Was fand aber der Verdammte statt
     eines Briefes auf der Schwelle seines Hauses? Er trat auf den Ehering, den seine Frau abgestreift hatte, und der Ring preßte
     sich in eine Rille seiner Sohle, und das metallische Klacken bei jedem Schritt mit dem linken Fuß machte ihn stutzig, er besah
     seine Sohle, drückte den goldenen Ring heraus, hielt ihn gegen die Sonne und warf ihn später über die Brücke in die Moldau.
     Hatte er eine Opfergabe dargebracht? fragte sich der zufällige Augenzeuge dieser fast weihevollen Handlung, der Mann, der
     diese Geschichte erzählte, war nicht zufällig vor Ort, auch wenn er es behauptete, denn mittlerweile waren die jungen Männer
     im Viertel, die jungen Männer ohne Arbeit, dazu übergegangen, dem Verdammten heimlich nachzuschleichen, sie wurden, da sie
     Geschichten über den Gesetzlosen erzählen konnten, nicht mehr länger den Taugenichtsen zugeschlagen. Der Ehering der Frau
     lag also auf dem Grund des Flusses, und die heilige Luitgard mußte sich von einem Sünder angaffen lassen, der Stein kann sich
     schlecht gegen lebendes Fleisch wehren, die Heilige konnte schlecht herabsteigen und ihre steinernen Arme um den Hals des
     Verdammten legen, daß er in der Umklammerung erstickte, endlich erstickte.
    Dann aber erschien wie aus heiterem Himmel ein junger Journalist, und er klopfte an ihre Tür und bat sie, ihm doch bitte zu
     erzählen, was es mit all den Gerüchten |196| für eine Bewandtnis hatte, er war ein höflicher junger Mann, den sie sofort ins Herz schlossen, weil er sie wie Bürgerdamen
     und Bürgerherren behandelte, ja, in seiner Nähe und durch seine Worte glaubten sie sich in einen höheren Stand erhoben, und
     was sollte sie also daran hindern, ihm Tee und Gebäck anzubieten und über das Hauptvorkommnis zu berichten. Der Journalist
     machte sich Notizen, er versprach, ein zweites Mal zu kommen, er versprach, ihnen ein Belegexemplar der Zeitung zu schicken,
     er versprach, in seiner Artikelfolge auf ihrer aller Bestürzung einzugehen. Alles gelogen. Sie durften dann eines Tages die
     Zeitung aufschlagen und lesen, daß sie betreuungsbedürftige Pfahlbürger wären, die einen unglücklichen Mann in Verruf brachten.
     Die jungen arbeitslosen Männer rotteten sich daraufhin zusammen und kündigten einen Besuch im Redaktionsraum des Journalisten
     an; manch einer wollte rohe Gewalt nicht ausschließen, die Frauen ließen sehr schnell von ihren halbherzigen Beschwichtigungsversuchen
     ab. Wenige Stunden später kamen die Männer zurück, zerschunden und geschlagen, sie waren von Polizisten daran gehindert worden,
     die Ehre des Viertels wiederherzustellen. Sie gingen zum Haus des Verdammten, doch auch dort trieben sich seltsamerweise einige
     hartgesichtige Polizisten herum, und sie wurden fortgescheucht wie streunende Hausierer.
    Der Verdammte knetete den Teig, bis er Ohrläppchenhärte hatte, und formte ein Gesicht, er drückte das Gesicht seiner Frau,
     das Gesicht der heiligen Luitgard hinein, und weil es ihm nicht an Talent mangelte, bemalte er das Teigantlitz mit wasserfesten
     Farben, und weil er geschäftstüchtig war, verkaufte er die Gesichter als Nachbildungen der Totenmaske der Ordensfrau. Die
     Amerikaner und die Japaner und manche Deutsche aus den katholischen Gegenden wollten dieses Souvenir |197| nach dem ersten Blick sofort kaufen, sie zählten ihm die Geldscheine in die Hand, sie ließen ihn das Souvenir in Zeitungspapier
     einschlagen, und er bat sie, die Kopie der Totenmaske sehr behutsam anzufassen, im übrigen wären die Risse im Gesicht originalgetreu.
     Hier ist ein Prager nach unserem Geschmack, sagten die Touristen, und es kam nicht selten vor, daß sie sich ein zweites und
     ein drittes Gesicht einpacken ließen, zumal es dann Mengenrabatt gab

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