Liebesdienste / Roman
Stadt ist die Nachfrage größer als das Angebot.«
Louise wäre »Ma’am« lieber gewesen als »Boss«, »Ma’am« klang mehr nach Frau (irgendwo zwischen einer Aristokratin und einer Schulleiterin, beides hatte seinen Reiz), wohingegen »Boss« sie zu einem von ihnen machte. Aber musste man nicht einer der Männer sein, um sich durchzusetzen?
»In der
Evening News
habe ich gelesen«, fuhr Sandy Mathieson fort, »dass es in Edinburgh nicht genügend teure Häuser gibt. Die Millionäre streiten sich um die Edelvillen.«
»Die Russen kommen«, sagte Jessica.
»Die Russen?«, fragte Louise. »Welche Russen?«
»Die Reichen.«
»Die Russen sind offenbar die neuen Amerikaner«, sagte Sandy Mathieson.
»Letzte Woche hat jemand hunderttausend für eine Garage bezahlt«, beschwerte sich Jessica. »Das ist doch Wahnsinn. Ich kann mir nicht mal ein Einsteigerhaus in Gorgie leisten.«
»Es war eine Doppelgarage«, sagte Sandy Mathieson.
Louise lachte und öffnete das Fenster einen Spalt, um etwas von der heißen Luft hinauszulassen. Das Meer zog sich zurück, und die feuchte Luft roch leicht nach Abwasser. Sie wusste nie, ob Sandy Mathieson witzig sein wollte oder nicht. Wahrscheinlicher schien ihr das nicht, weil er nicht scharfsinnig genug war. Er sah aus, wie er hieß, von seinem rötlich blonden Haar bis zu dem kleinen Bart und den giraffenfarbenen Sommersprossen. Er erinnerte Louise an Biskuits, an Shortbread, an Ingwer- oder Verdauungsplätzchen. Er war ein absolut geradliniger Typ, verheiratet, zwei Kinder, braver Hund, Jahreskarte für den Hearts FC , am Wochenende Grillen mit den Schwiegereltern. Er hatte einmal zu ihr gesagt, dass er alles habe, was er sich immer gewünscht habe, und er würde sein Leben geben, um es zu beschützen, auch die Jahreskarte fürs Stadion des Hearts FC .
»Das muss schön sein«, hatte Louise erwidert, ohne es wirklich zu meinen. Sie war nicht der Typ, der sich opferte. Nur für Archie würde sie sterben.
»Wo wohnen Sie, Boss?«, fragte Jessica.
»Glencrest«, sagte Louise widerstrebend, weil sie nicht das Bedürfnis verspürte, mit Jessica über ihr Privatleben zu sprechen. Sie kannte die Sorte noch aus der Schule, sie zogen einem die intimsten Details aus der Nase und verwandten sie dann gegen einen.
Louise Monroes Mutter ist Alkoholikerin, Louise Monroe braucht für die Schulspeisung nicht zu bezahlen, Louise Monroe ist eine Lügnerin.
»Die Hatter-Häuser-Siedlung bei Braids?«, fragte Sandy Mathieson. »Die haben wir uns angeschaut. Zu teuer für uns.« Das »uns« klang betont, fiel Louise auf, unterstrich seine kleine Welt.
Ich und meine Frau und meine zwei Kinder und mein braver Hund
. Nicht eine alleinstehende Frau mit einem Sohn, über dessen Vaterschaft schon lange spekuliert wurde. Sandy war ein Arbeitstier, zu phantasielos, um seiner Frau untreu zu sein, zu gleichmütig, um über den Rang hinauszukommen, den er jetzt innehatte. Aber er würde immer das Richtige für seine Kinder tun, und er erlaubte sich keine Winkelzüge, erwies keine Gefälligkeiten – ein blindes Auge hier, ein taubes Ohr dort. Er würde auch nicht auf dem Rücksitz eines Streifenwagens eine Untergebene vögeln, die zu betrunken war, um daran zu denken, dass Sex ein biologischer Imperativ war, der nur einem Ziel diente. (
Ich befehle es dir, Louise
. Sehr witzig, und wie sie gelacht hatten. O Gott.)
»Es ist ein sehr kleines Haus«, sagte Louise kleinlaut.
»Trotzdem …«, sagte Sandy, als hätte er etwas bewiesen.
»Gab es nicht Probleme mit Glencrest?«, fragte Jessica.
»Probleme?«, sagte Louise.
»Das Schiff sinkt oder so.«
»Was?«
»Reelle Häuser für reelle Menschen«,
sagte Jessica. »Man munkelt, dass Graham Hatter untergehen wird.«
»›Untergehen‹? Du klingst wie eine Komparsin bei
The Bill.«
Ja, das würde zu Jessica passen, Louise sah vor sich, wie Jessica abends nach Hause kam, die Klumpfüße hochlegte, etwas Mitgebrachtes aß und dabei
The Bill
schaute.
»›Untergehen‹ weswegen?«
»Ein kleiner Vogel hat mir gezwitschert, dass sie wegen Geldwäsche hinter ihm her sind, unter anderem. Anscheinend eine gewaltige Sache, Korruption bis in höchste Stellen und so.«
»Ein kleiner Vogel?«, sagte Louise.
»Ich habe einen Freund im Betrugsdezernat.«
»Wirklich? Sie haben Freunde?«
»Nennt mir eine berühmte Frau, die ertränkt wurde«, sagte Louise. Jessica warf ihr einen besorgten Blick zu, als befürchtete sie dahinter einen intellektuellen Test,
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