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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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zweifellos Hamish, der Archie Instruktionen gab, bevor Archie selbstgefällig sagte:
»Diskutiert die Transportfaktoren, die die Ansiedlung von Industrie beeinflussen.«
    Klang plausibel, Hamish war gut in der Schule. »Erlaubt es seine Mutter?«
    »Natürlich.«
    »Okay.«
    »Können wir was zu essen bestellen?«
    »Okay. Habt ihr Geld?«
    »Ja.«
    »Denkst du dran, die Katze zu füttern?«
    »Was du immer hast.«
    »Das ist nicht die Antwort, die ich hören will.«
    »
Jaaa
. Okay? Mann.«
    Louise seufzte. Sie brauchte wirklich einen Drink. Einen Daiquiri-Lemon. So kalt, dass ihr das Hirn gefror. Und dann wollte sie jede Menge Sex. Zwanglosen, gedankenlosen, gesichtslosen, emotionslosen Sex. Man sollte meinen, zwangloser Sex wäre einfach, aber nein. Seitdem Archie in der Pubertät war, hatte sie kaum mehr Sex gehabt. Sie konnte nicht einfach einen Typen mit nach Hause bringen und mit ihm vögeln, während ihr jugendlicher Sohn auf der anderen Seite der hauchdünnen Rigipswand am Computer Grand Theft Auto spielte. Wenn man ein Kind hatte, gab es jedes Jahr eine neue Überraschung, etwas, womit man nicht rechnete. Vielleicht ging es immer so weiter. Wenn Archie sechzig und sie über achtzig wäre, würde sie vielleicht denken: »Mir war nicht klar, dass sechzigjährige Männer
so etwas
tun.«
    Sie sah, wie ein uniformierter Polizist an Jessicas Fenster klopfte und ihr etwas gab.
     
    »Was wollte er?«, fragte sie, als sie wieder einstieg.
    »Hat das gebracht«, sagte Jessica, reichte ihr eine hilfreicherweise aufgeschlagene Ausgabe der
Evening News
und deutete auf die kleine Überschrift. »Polizei bittet Öffentlichkeit um Mithilfe bei Ermittlungen.«
    »Nicht gerade auffällig«, sagte Sandy. »
Polizei bittet um Mithilfe: Hat jemand eine Frau ins Wasser gehen sehen.
 – ›Ins Wasser gehen‹? Das ist sehr vage.«
    »Es ist ja auch sehr vage«, sagte Louise. »Sie wurde im Wasser gefunden, und irgendwie muss sie da reingekommen sein.«
    »Wenn sie existiert«, warf Jessica ein. Sie nieste, und Sandy sagte: »Hoffentlich kriegst du nicht die Grippe.«
    Louise war es gleichgültig, ob Jessica die Grippe kriegte. Sie war plötzlich unglaublich müde. »Geben wir auf. Morgen bringen sie was in Radio Forth, aber für heute war’s das. Wenn eine Leiche im Wasser ist, wird sie wahrscheinlich irgendwann angeschwemmt. Mehr können wir jetzt nicht tun.«
    »Ich glaube nicht, dass es überhaupt eine Leiche gibt«, sagte Jessica. »Ich glaube, Brodie hat die Geschichte erfunden. Ich weiß, wo die Tassen sind, und sie sind nicht im Schrank.«
    »Ich mochte den Kerl sowieso nicht«, sagte Sandy so sicher wie jemand, der sein eigenes moralisches Urteil für unanfechtbar hält. »Und jetzt machen wir Feierabend.« Er wandte sich an Jessica und sagte: »Nach Hause, James.«

28
    J ackson Brodie hatte die höllische Vision, für immer in einem Bus festzusitzen. Diesmal war es einer der oben offenen Touristenbusse, die durch britische Städte rumpeln und den Verkehr aufhalten. Jackson war letztes Jahr mit Marlee in so einem Bus durch Cambridge gefahren, überzeugt, es wäre eine einfache Art und Weise, etwas über (wahrscheinlich revisionistische) Geschichte zu erfahren, aber er hatte alles wieder vergessen. Es war kalt oben, und ein elender Wind schien über die Nordsee zu peitschen mit dem einzigen Ziel, Jackson im Nacken zu treffen. Deswegen, erinnerte sich Jackson, war er in ein anderes Land gezogen.
    Die Royal Mile war Jackson mittlerweile nahezu vertraut. Am liebsten hätte er sich der nächstbesten Person zugewandt und sie auf die St. Giles Church und das neue Parlamentsgebäude hingewiesen (das Budget um das Zehnfache überzogen – wie konnte etwas das Zehnfache des ursprünglichen Budgets kosten?). Ihre eigentliche Reiseleiterin war eine melodramatisch veranlagte Frau mittleren Alters, die für das Trinkgeld arbeitete. Es war die Art Job, den auch Julia übernahm, wenn sie knapp bei Kasse war.
    Der Bus wälzte sich durch die Princes Street – hier gab es keinen dunklen Gotizismus, nur hässliche Hauptstraßen-Kaufhäuser. Es begann in Strömen zu regnen, und weniger hartgesottene ausländische Seelen suchten im unteren Geschoss Zuflucht, zurück blieben ein paar Briten, die sich unter Regenschirmen und Windjacken zusammenkauerten. Er hörte mit halbem Ohr, dass die Reiseleiterin etwas über Hexen (ansonsten natürlich unter der Bezeichnung »Frauen« bekannt) erzählte, die lebendig in das Nor’ Loch geworfen

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