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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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erinnerte, und ihre Tochter hatte sie angefahren: »Mach dich nicht lächerlich.«
    Gloria beendete ihr Mittagessen mit einem Stück Schokoladenbiskuittorte (das Geheimnis bestand in einem Löffel heißer Milch). Das viktorianische Bild mit den Kätzchen im Korb hatte sie bereits an die Stelle des düsteren Hirschs gehängt, dessen geisterhafter Abdruck jedoch dank eines schmalen Schmutzrands noch zu sehen war. Das Zimmer war erst letztes Jahr nach der Installation des neuen Sicherheitssystems renoviert worden, und Gloria war immer wieder überrascht, wie schnell sich Schmutz ansammelte. Die Kätzchen fühlten sich an der Wand sofort zu Hause. Sie war so sehr in die Betrachtung der unschuldigen Kätzchen versunken, dass sie die schwerfällige Gestalt an der Terrassentür erst bemerkte, als sie eine fleischige Pranke hob und ans Glas klopfte. Gloria fiel fast vom Sofa.
    »Um Gottes willen«, sagte sie verdrossen, erhob sich vom pfirsichfarbenen Damast und öffnete die Tür. »Sie haben mich zu Tode erschreckt, Terry.«
    »Entschuldigung.«
    Terence Smith. Grahams Golem, geformt aus dem Urschleim primitiver Lebensformen am Grund eines Teiches irgendwo in den Midlands. Manchmal lieh Murdo ihn sich aus als Türsteher oder Leibwächter (Murdos Sicherheitsfirma bewachte leicht zerbrechliche Berühmtheiten, wenn sie in die Hauptstadt kamen), aber die meiste Zeit war er einfach Grahams Lieblingsschläger, der ihn fuhr, wenn er zu betrunken war, um das Lenkrad zu finden – Graham weigerte sich, sein Ego in Glorias roten Golf zu quetschen. Oder er hing im Hintergrund herum mit der gleichen treudoofen Miene wie sein Hund. Gloria fütterte beide, Mann und Hund, mit Kuchen und hielt sie von Katzen und kleinen Kindern fern. Heute war der Hund nicht zu sehen. »Wo ist Ihr Hund, Terry? Wo ist Spike?«
    Er gab ein seltsam würgendes Geräusch von sich und schüttelte den Kopf, dann erkundigte er sich nach dem Aufenthaltsort von Graham, seinem Herrn und Meister.
    »Er ist in Thurso«, sagte sie. Es war komisch, je öfter sie es sagte, umso mehr glaubte sie selbst daran, in einem metaphysischen Sinn jedenfalls, als wäre Thurso eine Art Fegefeuer, wohin Menschen verbannt wurden. Gloria war einmal in Thurso gewesen und hatte es als solches empfunden.
    »Thurso?«, wiederholte er skeptisch.
    »Ja«, sagte Gloria. »Oben im Norden.« Sie bezweifelte, dass Geografie zu Terrys Spezialgebieten gehörte, und runzelte die Stirn. Sein stets hässliches Gesicht fluoreszierte beunruhigend. »Terry – was ist mit Ihrer Nase passiert?« Er schlug die Hand vors Gesicht, als schämte er sich plötzlich.
    Wieder klingelte das Telefon, und beide lauschten schweigend auf Emilys Geblöke.
Mutter-Mutter-Mutter
.
    »Das ist Ihre Tochter«, sagte Terry schließlich, als hätte sie Emily nicht erkannt.
    Gloria seufzte und sagte: »Was Sie nicht sagen«, und ging wider besseres Wissen an den Apparat.
     
    »Ich rufe schon die ganze Zeit an«, sagte Emily, »aber dauernd ist der Anrufbeantworter dran.«
    »Ich war viel unterwegs«, sagte Gloria. »Du hättest eine Nachricht hinterlassen sollen.«
    »Ich wollte keine Nachricht hinterlassen«, sagte Emily beleidigt.
    Gloria sah Terry nach, der die Einfahrt entlangstapfte. Er erinnerte sie an King Kong, allerdings war er weniger freundlich.
    »Mutter?«
    »Hm?«
    »Ist was passiert?«, fragte Emily scharf.
    »Passiert?«
    »Ja, passiert. Ist mit Dad alles in Ordnung? Kann ich mit ihm sprechen?«
    »Er kann jetzt gerade nicht ans Telefon kommen.«
    »Ich habe Neuigkeiten für euch«, verkündete Emily in nicht unbedingt beruhigendem Tonfall. »Gute Neuigkeiten.«
    »Gute Neuigkeiten?«, wiederholte Gloria. Vielleicht war Emily wieder schwanger (war das eine gute Neuigkeit?). Deswegen war sie verblüfft, als Emily sagte: »Ich habe Jesus gefunden.«
    »Oh«, sagte Gloria. »Wo war er?«

27
    L ouise starrte durch die Windschutzscheibe in den Regen. Dies konnte ein gottverlassenes Land sein, wenn es regnete. Und auch wenn es nicht regnete.
    Der Wagen stand im Hafen von Cramond, die Motorhaube der Insel zugewandt. Sie saßen zu dritt darin, sie selbst, Kriminalkommissar Sandy Mathieson und die übereifrige Jessica Drummond. Sie hatten das Wageninnere zugedampft wie ein Liebespaar oder Verschwörer, obwohl sie nichts Aufregenderes taten, als über Hauspreise zu sprechen. »Wenn zwei oder mehr Leute in Edinburgh aufeinandertreffen«, sagte Louise.
    »Angebot und Nachfrage, Boss«, sagte Sandy Mathieson. »In dieser

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