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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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eine Aufnahmeprüfung, ein Geheimwissen, das man unbedingt brauchte, um Kriminalpolizist zu werden. Sie legte die breite Stirn in Falten vor Anstrengung, sich an etwas zu erinnern, was sie noch nie gewusst hatte.
    »Seht ihr«, sagte Louise, als sie keine Antwort erhielt, »Frauen sind nicht bekannt dafür, dass sie sich ertränken.«
    »Ich glaube,
I-Spy
ist mir lieber«, sagte Sandy Mathieson.
    Den ganzen Vormittag, während Louise im Gericht saß, war ihr kleines, von der Grippe dezimiertes Team unterwegs gewesen, vor allem um Erkundigungen einzuziehen. Hatte jemand etwas Ungewöhnliches beobachtet, hatte jemand eine Frau gesehen, die ins Wasser ging, hatte jemand eine Frau am Strand gesehen, hatte jemand eine Frau gesehen, hatte jemand irgendetwas gesehen? Nichts. Die Taucher hatten nichts gefunden. Louise war dabei gewesen, als sie aus dem Wasser kamen. Froschmänner hießen sie früher, das Wort hörte man nicht mehr oft. Sie erinnerten sie an
Der Mann aus Atlantis.
    Es war ein fruchtloses Unterfangen, sie suchten nach einem Trick, den ihnen das Licht auf dem Wasser spielte.
    »Ich sehe tote Menschen«, intonierte Jessica.
    Die einzigen Aufregungen in Cramond während der letzten Tage hatten darin bestanden, dass die Alarmanlage eines Autos losgegangen und ein Hund überfahren worden war. Der Hund erholte sich anscheinend. Eine phantastisch niedrige Kriminalitätsrate – das war es, was man bekam, wenn man ein kleines Vermögen dafür bezahlte, in einer der schönsten Gegenden Edinburghs zu leben.
    Ohne zu erwähnen, wie sie dazu gekommen war, zeigte Louise ihren Leuten die rosa Visitenkarte, die sie aus der Leichenhalle mitgenommen hatte, und bat sie, sich zu erkundigen, ob jemand von
Hilfe
gehört hatte. Doch wie es schien, bewegten sich die guten Bürger von Cramond nicht in den Kreisen, in denen Mädchen kleine rosa Karten mit Telefonnummern aushändigten.
    Louise hatte ein paar Uniformierte in der Stadt die billigen Schmuckgeschäfte nach Ohrringen in Form eines Kreuzes durchkämmen lassen. »Ich kann nicht glauben, wie viel Neun-Karat-Schund es gibt«, hatte einer gemeldet. Mehr Kruzifixohrringe, als man sich vorstellen konnte, aber niemand erinnerte sich an eine eins siebzig große, sechzig Kilo schwere Blondine, die ein Paar gekauft hatte.
    »Das Mädchen mit den Kruzifixohrringen«, es klang wie ein verschollenes Gemälde von Vermeer.
    Louise hatte
Das Mädchen mit dem Perlenohrring
gesehen, in Gesellschaft zweier Freundinnen, zweier weiterer alleinstehender Frauen. Es war ein Film für alleinstehende Frauen eines gewissen Alters – still, ergreifend, voller Kunst, letztlich deprimierend. Sie hatte sich (kurz) gewünscht, im Holland des siebzehnten Jahrhunderts zu leben. Als sie jung war, hatte sie sich oft vorgestellt, in der Vergangenheit zu leben, vor allem weil die Gegenwart so schrecklich gewesen war.
    »Wer ermittelt im Merchiston-Mord?«, fragte sie.
    »Robert Campbell, Colin Sutherland«, sagte Jessica prompt. »Aufsehenerregender Mord an Berühmtheit, das kriegt der große Fisch ganz oben in der Nahrungskette.«
    »Berühmtheit?«
    »Richard Moat«, sagte Sandy Mathieson verächtlich. »Kabarettist aus den achtziger Jahren. Haben Sie gehört, was passiert ist?«
    »Nein, was?« Der Name kam Louise vage bekannt vor.
    »Sie haben zuerst die falsche Person identifiziert«, sagte Jessica.
    »Sie machen Witze.«
    Sandy lachte. »Er wohnte bei dem anderen Typen, dem Schriftsteller, stimmt’s?«, vergewisserte er sich bei Jessica (Herrgott, sie waren wie ein eingespieltes Duo), die nickte und den Faden aufnahm: »Und er trug die Uhr seines Freundes.«
    »Wer?« Louise war vollkommen verwirrt.
    »Richard Moat«, sagte Jessica betont geduldig, »trug die Uhr des anderen Typen. Seines Freundes. Und stellen Sie sich vor, dieser Freund ist ein Krimiautor.«
    »Das Leben imitiert die Kunst«, sagte Sandy, als hätte er den Satz gerade erfunden. »Alex Blake. Von ihm gehört?«
    »Nein«, sagte Louise. »Sie haben ihn anhand seiner
Uhr
identifiziert?«
    »Also, ein Gesicht hatte er anscheinend nicht mehr«, sagte Jessica so beiläufig, wie man sagen würde: »Möchten Sie Essig auf Ihre Pommes?«
    Louise hätte ein Pferd fressen können, seit dem Frühstück hatte sie nichts mehr zu sich genommen. »Haben Sie etwas zu essen da?«, fragte sie Jessica.
    »Tut mir leid, Boss.«
    Unverschämte Kuh. Louise glaubte ihr nicht, man wurde nicht so fett, wenn man nicht ständig was zu essen mit sich

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