Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
Vom Netzwerk:
Schachtel Minstrels, die er am Kiosk gekauft hatte, und schüttete ihr welche in die Hand.
    »Was für Bücher schreiben Sie?«, fragte sie.
    »Romane.«
    »Was für Romane?«
    »Kriminalromane«, sagte Martin.
    »Wirklich? Das ist eine Ironie des Schicksal, nicht wahr? Dichtung seltsamer als das Leben und so.« Sie fuhren weiter, bahnten sich einen Weg durch den dichten Verkehr bis zum nächsten Zebrastreifen, auf dem vor ihnen eine schier endlose Reihe Leute die Straße überquerte. »Sie gehen mit Absicht langsam«, sagte Clare, »das gibt ihnen ein falsches Gefühl der Macht, denn letztlich gehen sie zu Fuß, und ich sitze in einem Wagen.«
    »Der Autor von sieben Romanen mit der Protagonistin Nina Riley«,
fuhr sie unnachgiebig fort vorzulesen. »Gut, dass Ihre Heldin eine Frau ist«, sagte sie. »Ist sie wirklich knallhart?«
    Martin dachte über die Frage nach. Ihm gefiel die Vorstellung, dass Nina Riley knallhart war, es hob sie aus dem Tweed und den Perlenketten der Nachkriegszeit in eine dynamischere Welt. Sie konnte ein Flugzeug fliegen, auf Berge steigen, einen Rennwagen fahren, fechten, obwohl die Gelegenheiten dazu auch in den Vierzigern dünn gesät waren.
Der Mistkerl entkommt uns, Bertie. Ich brauche eine Waffe – wirf mir den Hockeyschläger zu!
»Also, auf ihre Art, ja, ich nehme an, das ist sie.«
    »Können Sie davon leben?«, fragte Clare.
    »Ja, besser als die meisten. Ich habe Glück gehabt. Lesen Sie viel?«, fügte er hinzu in dem Versuch, das Gespräch von sich abzulenken.
    »Keine Zeit.« Sie lachte.
    Martin konnte sich eine Welt nicht vorstellen, in der es keine Zeit zum Lesen gab.
    »Seine Agentin, Melanie Lenehan
– wow, das ist aber ein Zungenbrecher –,
sagte: ›Das ist eine Tragödie in jedem Sinn des Wortes. Martin begann gerade, die Früchte seines phänomenalen Erfolgs zu genießen. In seiner Klasse war er einer der ganz Großen.‹«
    Martin war enttäuscht, dass Melanie nichts Besseres eingefallen war als die üblichen Plattitüden. Oder vielleicht fand sie, dass er nichts anderes verdiente.
     
    Clare begleitete ihn zum Four Clans und drückte auf die Messingklingel an der Rezeption. Martin dämmerte, dass sich Polizisten wie Menschen verhielten, die nicht um Erlaubnis fragen mussten, denn das mussten sie natürlich nicht. Paul Bradley hatte die gleiche Autorität besessen. Es war etwas Natürliches, Ungezwungenes. Diese Leute verbrachten ihr Leben nicht damit, sich zu entschuldigen.
    Eine Frau kam widerwillig aus einem Zimmer hinter der Rezeption. Sie wischte sich einen Krümel aus dem Mundwinkel und starrte sie beide unfreundlich an. Die stämmige Figur, das schlecht sitzende graue Kostüm und die strenge Frisur, ganz zu schweigen von ihrem Auftreten erinnerten Martin an eine Gefängnisdirektorin (oder vielmehr an seine
Vorstellung
von einer Gefängnisdirektorin, da er im wahren Leben noch nie einer begegnet war; bislang jedenfalls nicht). Sie trug ein Schild mit der Aufschrift »Maureen«, aber sie wirkte zu furchterregend, um auf diese vertrauliche Weise angesprochen zu werden. Durch die Tür zum Hinterzimmer fiel sein Blick auf den Tisch, auf dem eine zerlesene Ausgabe der
Evening News
lag und ein Teller mit einem halb gegessenen Toastbrot stand. Martin sah die schreiende Schlagzeile,
Edinburgher Schriftsteller ermordet,
und erkannte sich in dem grobkörnigen Bild wieder.
    »Maureen« checkte ihn ein, ungerührt von der Tatsache, dass er von einer Polizistin begleitet wurde. Kein Wort wurde darüber verloren, wie er die Rechnung zahlen sollte. Dann reichte sie ihm den Schlüssel zu seinem Zimmer, als wäre er ein Häftling, der sich selbst in die Zelle sperren durfte.
    »Okay, ich muss los«, sagte Clare. »Viel Glück mit dem Schreiben und … allem.«
    Auf seinem müden Weg die Treppe hinauf begegnete Martins Blick dem des Hirschs, der ihn stumm ansah, ein Ausdruck düsterer Gleichgültigkeit auf dem muffigen Gesicht.

30
    E rmordet, Jackson!«, sagte Julia, ihr Gesicht eine Pantomime großäugigen Entsetzens, aber ihre Stimme klang aufgeregt.
    »Ermordet?«, sagte Jackson.
    »Gestern habe ich mit Richard Moat zu Mittag gegessen, und heute ist er tot. Der Blick des Schiedsrichters ist auf ihn gefallen, und fertig ist die Laube – tot.« Verglichen mit heute Morgen, schien sie euphorisch. »Die Polizei geht rum und befragt alle.
Ermordet,
Jackson«, wiederholte sie genüsslich.
    Sie standen an der Tür des Schwitzkastens, der als Frauengarderobe von Julias

Weitere Kostenlose Bücher