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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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außer Zweifel. Das Problem ist …« Eine weitere Pause für ein gut getimtes Lächeln. Es dehnte sich bis zum Rand seines Gesichts, die Cheshire-Katze hätte kämpfen müssen, um gegen Hauptkommissar Sutherland zu bestehen. »Das Problem, Mr. Canning, ist, dass sich niemand an
Sie
erinnert.«
    »Die Polizei hat im Krankenhaus meine Aussage aufgenommen.«
    »Aber danach?«
    »War ich mit Paul Bradley zusammen.«
    Es klopfte an der Tür, und ein Polizist kam herein und legte ein Blatt Papier vor der schweigenden Polizistin auf den Tisch. Sie las, was darauf stand, ihre sphinxartigen Züge verrieten nichts, dann gab sie das Papier an Sutherland weiter.
    »Der geheimnisvolle Mr. Bradley«, murmelte Sutherland.
    »Er ist real«, sagte Martin. »Sein Name steht im Hotelregister.«
    »Ihrer aber nicht.« Er wedelte mit dem Papier vor Martins Nase herum. »Wir haben die Londoner Polizei gebeten, die Adresse zu überprüfen, die Paul Bradley angegeben hatte, und wie sich herausstellt, handelt es sich um eine Reihe von Garagen. Der geheimnisvolle Mr. Bradley scheint doch nicht zu existieren.«
    Die schweigsame Kriminalkommissarin neigte sich plötzlich vor und sagte ganz ernst zu Martin, als wollte sie ihm helfen, als wäre sie eine Therapeutin oder eine Beraterin: »Waren Sie und Richard ein Liebespaar, Martin? Hatten Sie Zoff?«
    »Zoff?«
    »Einen Streit, der außer Kontrolle geriet, der in Handgreiflichkeiten ausartete? War er eifersüchtig, weil Sie mit einem anderen Mann in ein Hotel gegangen waren?«
    »So war es nicht. So war es
überhaupt
nicht!« Martin nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. Er wünschte, sie würden aufhören, ihm Fragen zu stellen.
    »Oder versuchen wir es so«, schlug Hauptkommissar Sutherland freundlich vor. »Sie haben es mit einem schwulen Dreier probiert, und der lief schrecklich schief.«
     
    Richard Moats Eltern waren von Milton Keynes gekommen, um ihren Sohn zu identifizieren. Richard hatte ein ganzes Repertoire von Witzen über seine Eltern in seinem Programm, über ihre politischen Einstellungen, ihre Religion, ihren schlechten Geschmack. Nichts, was er auf der Bühne über sie gesagt hatte, schien etwas mit dem untröstlichen, verwirrten Paar zu tun zu haben, das bekümmert im Leichenschauhaus stand. Die Identität der Leiche war für die Polizei inzwischen ein rotes Tuch. Sie wollten die Moats nicht dem vollen Grauen aussetzen und hatten die Angelegenheit noch weiter verkompliziert, indem sie ihnen Martins stehen gebliebene Rolex zeigten, die Richard an sich genommen hatte. Sie hatten vor Erleichterung geweint, weil sie »definitiv nicht Richard gehörte«.
    Sie zeigten Martin die Uhr, und er sagte, ja, sie gehöre ihm (das Glas hatte einen Sprung, er versuchte sich vorzustellen, wie das passiert war), und Mr. Moat rief: »Da haben Sie’s!«, und deutete auf Martin, als wäre das der Beweis, dass er der tote Mann war und nicht ihr Sohn. Richard Moat schien sich alles angeeignet zu haben, was Martin gehörte, einschließlich seiner Identität.
    »Wir könnten auf die Unterlagen des Zahnarztes warten«, murmelte der gnadenlos höfliche Sutherland, »aber das wird dauern, und die ganze Sache ist so …
konfus.«
    Martin wusste, dass er aufgefordert war, die Identifizierung vorzunehmen, und er sah keine Möglichkeit, es zu verhindern.
Sei ein Mann
. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Die Sanftmütigen werden das Erdreich besitzen. Er wollte, dass Sutherland gut von ihm dachte, und so wurde er nach einem längeren Briefing –
Sie müssen auf einen Schock gefasst sein, und die Verletzungen sind sehr unschön –
in einen kleinen Raum geführt, in dem es nicht nur antiseptisch, sondern auch süßlich und unangenehm roch, und dort, unter einem weißen Tuch, lagen die zerschlagenen Überreste von Richard Moat. Es war weder schlimmer noch besser, als er es sich vorgestellt hatte. Einfach anders und irgendwie künstlich, als wäre Richard Moat für einen Film geschminkt worden – Martin musste an Michael Jacksons Video
Thriller
denken –, doch es war eindeutig Richard. Daran bestand keinerlei Zweifel. Martin wartete darauf, vor Entsetzen in Ohnmacht zu fallen oder sich übergeben zu müssen, aber nichts davon passierte. Er empfand einfach nur Dankbarkeit, dass Richard Moat dort lag und nicht er. Ihm war schließlich schon Schlimmeres widerfahren, als Richard Moats Leiche zu betrachten.
    »Glück gehabt, es hätten Sie sein können«, sagte Sutherland.
    »Ich verstehe

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