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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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gesagt. Er musste das Wort nachschlagen. Es klang katholisch, war es aber nicht. Es stammte vom lateinischen »catena«, Kette, ab. Beweiskette. Narrenkette. Jetzt wünschte er, dass er eine klassische Bildung hätte, nicht eine Ausbildung bei der Armee. Eine gute Schule, einen Abschluss, die Welt, in die seine Tochter hineinwuchs. Die Welt, in der Julia groß geworden war. Andererseits war sie vollkommen kaputt gewesen. Er wollte Julia von der Frau im Forth, von seinem eigenen Beinaheertrinken erzählen, aber sie war wieder zu sich selbst zurückgekehrt, trug Lippenstift auf, betrachtete mit professioneller Distanz ihre Lippen im Spiegel, presste sie zusammen und schürzte sie, als wollte sie ihr Spiegelbild küssen.
    Jackson fragte sich, was es über eine Beziehung aussagte, wenn man dem »Objekt seiner Begierde« nicht erzählen konnte, dass man wie ein halb ersoffener Hund aus dem Wasser gezogen worden war. »Lucky« war – unweigerlich – der Name des Hundes gewesen, der voller Begeisterung vom Pier in Whitby ins Wasser gestürzt war. Der Besitzer des Hundes, der als Erster an diesem Tag ertrunken war, hatte eine Frau und eine achtjährige Tochter, und Jackson hätte gern gewusst, was aus dem Hund geworden war. Hatten sie Lucky wieder mit nach Hause genommen?
    »Aber du wirst doch fertig, bevor die Show anfängt?«
    »Die Show?«
     
    Als sie schon an der Tür stand, sagte Julia: »Ach, bevor ich’s vergesse, kannst du mir einen Gefallen tun? Ich habe den Chip in der Drogerie nebenan abgegeben. Ich dachte, wenn du nichts Besseres zu tun hast, könntest du die Fotos abholen.«
    »Und wenn ich was Besseres zu tun habe?«
    »Hast du?« Julias Frage klang eher neugierig als sarkastisch.
    »Moment«, sagte Jackson, »hilf mir auf die Sprünge. Was für Fotos? Was für ein Chip?«
    »Der Chip aus unserer Kamera.«
    »Aber ich habe die Kamera verloren«, sagte er. »Ich habe dir doch erzählt, dass ich die Kamera in Cramond verloren habe.«
    »Ich weiß, und
ich
habe dir erzählt, dass ich das Fundamt bei der Polizei in Fettes angerufen habe, und jemand hatte sie abgegeben.«
    »Was? Das hast du mir nicht erzählt.«
    »Doch, das habe ich«, beharrte Julia, »außer es lag jemand neben mir im Bett, der so
getan
hat, als wäre er Jackson.«
    Wie kam es, dass Julia Zeit hatte, etwas in die Drogerie zu bringen, Obst zu kaufen, zu telefonieren, mit Richard Moat Mittag zu essen? Und doch hatte sie keine Minute Zeit für
ihn
.
    »Scott Marshall«, fuhr sie vergnügt fort, »der nette Mann, der meinen Liebhaber spielt, ist nach Fettes gefahren und hat die Kamera für mich abgeholt.«
    »Sie haben sie ihm einfach gegeben?«, fragte Jackson erstaunt (
mein Liebhaber
, wie sie es gesagt hatte, so beiläufig). »Ohne Beweise?« Er dachte an das Bild des toten Mädchens in der Kamera. Hatte es jemand angesehen, es auf Papier gebannt?
    »Ich habe am Telefon die ersten drei Bilder auf dem Chip beschrieben«, sagte Julia. »Das schien ihnen zu reichen. Und ich habe gesagt, dass jemand namens Scott Marshall die Kamera abholen würde. Er hat ihnen seinen Führerschein gezeigt. Mann, Jackson, müssen wir jedes Detail wiederkäuen?«
    »Was ist auf den ersten drei Fotos?«, fragte Jackson.
    »Willst du mich testen?«
    »Nein, nein, ich bin neugierig.
Ich
habe keine Ahnung, was drauf ist.«
    »Du bist drauf«, sagte Julia. »Es sind Fotos von dir, Jackson.«
    »Aber …«
    »Ich muss los. Tut mir leid, Schatz.«
     
    Kein Wunder, dass Identitätsbetrug ein so rasant wachsender Verbrechenszweig war. Der Drogist war so lax wie die Polizei. Jackson hatte keinen Beleg, keinen Beweis, dass die Fotos ihm gehörten, aber sie wurden ihm prompt ausgehändigt, als er sagte, dass »Julia Land« sie vorbeigebracht hatte. Der Drogist lächelte ihn wissend an und sagte: »Ja, natürlich«, und Jackson musste annehmen, dass Julia das ganze Geschütz ihres Orangenverkäuferinnencharmes zum Einsatz gebrachte hatte. Julia würde mit einem achtzigjährigen Mann mit künstlichem Kniegelenk flirten, während sie ihm über die Straße half – denn, und das war einer der Gründe, warum er sie liebte, sie war eine Person, die alten Menschen über die Straße und Blinden in Supermärkten half, verirrte Kätzchen und verletzte Vögel aufsammelte.
    Sie musste flirten, sie tat es automatisch, es war Bestandteil ihrer Persönlichkeit. Herr im Himmel, Julia flirtete mit
Hunden
. Er hatte miterlebt, dass sie mit unbelebten Objekten flirtete, einem Kessel

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