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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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verbranntes Opfer für die Stimmung eines Mannes tun konnte. Die Eier waren gummiartig, der Toast war verkohlt, aber Jackson brachte alles hinunter. Er hatte damit gerechnet, dass es die kalten Reste des Streits vom Vorabend zum Frühstück geben würde, und deswegen waren die Eier und Julias Wohlwollen eine angenehme Überraschung.
    Julia nippte an einer Tasse mit dünnem Tee, und als er sie fragte, warum sie nichts aß – Julia liebte Essen, so wie ein Hund Futter liebt –, sagte sie: »Flaues Gefühl im Bauch. Lampenfieber. Die Presse wird kommen, wie grauenhaft. Dass sie das Stück besprechen, ist fast so beängstigend, wie wenn sie es
nicht
besprechen würden. Und es ist das Festival, deswegen wird kein richtiger Theaterkritiker kommen, die haben immer was Besseres zu tun. Wir kriegen irgendeinen Schwachkopf, der normalerweise für die Sportseiten schreibt. Wenn wir nur noch eine Probe hätten.«
    »Wie war es gestern Abend?«
    »Ach, du weißt schon.« Sie zuckte die Achseln. »Schrecklich.«
    Jacksons Herz flog ihr zu.
    »Tut mir leid, dass ich so muffelig war«, sagte Julia.
    »Ich war auch muffelig«, sagte Jackson großzügig. Er glaubte nicht, dass er wirklich muffelig gewesen war, aber es schadete nicht, sich von der ritterlichen Seite zu zeigen, vor allem weil er annahm, dass die logische Folge von Julia in einem Handtuch, die ihm das Frühstück ans Bett brachte, Sex wäre, aber als er spielerisch nach ihr fasste, sprang sie so geschmeidig vom Bett wie eine Katze und sagte: »Ich muss los, ich habe so viel zu tun.« An der Tür drehte sie sich um und sagte: »Ich liebe dich.« Jackson war mehr als einmal aufgefallen, dass die Leute zu Beginn einer Beziehung glücklich aussahen, wenn sie »Ich liebe dich« sagten, aber am Ende blickten sie bei denselben Wörtern traurig drein. Julias Miene war eindeutig tragisch. Aber es war schließlich Julia, die immer übertrieb.
    Jacksons Telefon klingelte, und zuerst wollte er sich nicht melden. Gute Nachrichten schlafen bis Mittag, hieß es nicht so – oder war das eine Zeile aus einem Lied der Cowboy Junkies? Er meldete sich und musste eine Weile sein Gedächtnis durchforsten, bis der Name ihm etwas sagte. Martin. Martin Canning, der Mann, der seine Aktentasche auf Terence Smith geworfen hatte. Ein komischer kleiner Kauz.
    »Hallo, Martin«, sagte Jackson und schlug einen falschen kumpelhaften Tonfall an, weil der Typ klang, als wäre er etwas aus dem Gleichgewicht geraten. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich frage mich, ob Sie mir Hilfe leisten könnten, Mr. Brodie.«
    Jackson konnte das Wort »Hilfe« nicht länger hören, ohne dass es dunkle Ahnungen in ihm heraufbeschwor. »Klar, Martin, ich habe heute nichts vor. Und ich heiße Jackson, nennen Sie mich Jackson.«
     
    »Was wirst du heute machen?«, fragte Julia, die jetzt vollständig angezogen und in Gedanken zu sehr bei ihren eigenen Plänen war, um wirklich neugierig zu sein. Auf dem Küchentisch stand ein kleiner Spiegel, und sie trug Make-up auf. Ein dünner Puderfilm überzog die Pyramide aus Orangen in einer gläsernen Auflaufform. Jackson erinnerte sich nicht daran, Obst gekauft zu haben.
    »Ich habe einen Job«, sagte er.
    »Einen Job?«
    »Ja, einen Job. Ein Mann braucht heute einen Babysitter.«
    »Einen Babysitter?«
    Jackson fragte sich, ob sie weiter vorhatte zu wiederholen, was er sagte. Sollte das nicht die Königin tun? Es vermittelte den Eindruck von höflicher Konversation, von ungeheucheltem Interesse an dem, was die andere Person sagte, ohne sich tatsächlich auf sie einlassen oder ihr auch nur zuhören zu müssen. Er wollte die Theorie überprüfen und sagte zu Julia: »Und dann dachte ich daran, mich zu ertränken – im Forth.« Aber statt wie ein Papagei »im Forth« zu wiederholen, drehte sich Julia um und blickte ihn nachdenklich an, sie sah vielmehr durch ihn hindurch, als dass sie ihn anblickte, und sagte: »Ertränken?«
    Jackson begriff seinen Fehler sofort. Julias älteste Schwester, Sylvia, hatte in der Badewanne Selbstmord begangen, ein erschreckendes Zeugnis von Willenkraft, das Jackson fast schon bewunderte. Sie war Nonne gewesen, und Jackson vermutete, dass die vielen Jahre der Disziplin ihre Seele in Eisen verwandelt hatten. Seine eigene Schwester war nicht ertrunken, sie wurde vergewaltigt, erwürgt und dann in einen Kanal geworfen. Wasser, überall Wasser. Diese Dinge verbanden sie, ihn und Julia. »Wie eine Art karmischer Konkatenation«, hatte sie einmal

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