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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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schmeichelte, damit das Wasser schneller kochte, einem Auto, damit es ansprang, einem Kaminfeuer, damit es brannte.
Komm, Schatz, versuch es noch ein bisschen, dann schaffst du es
.
    Vielleicht sollte er es nicht als Bedrohung, sondern als soziale Dienstleistung betrachten, sie zu alten Leuten schicken, damit sie alten Männern die Illusion der Männlichkeit gab und sie sich in ihrer Haut wieder wohlfühlten.
Viagra für den Kopf
. Alte Männer hatten etwas Erbärmliches. Kerle, die in Kriegen gekämpft, den Zusammenbruch von Reichen bezeugt hatten, wie Könige durch Vorstandszimmer und Fabrikhallen geschritten waren, das Brot verdient, die Beiträge bezahlt hatten, ihren Weg gegangen waren und gesagt hatten, was sie zu sagen hatten, konnten im Alter nicht einmal mehr ohne Hilfe pinkeln. Alte Frauen dagegen wirkten nie so bedauernswert, wie zerbrechlich sie auch waren. Natürlich gab es nicht so viele alte Männer wie alte Frauen. Vertrocknet und spröde wie Reisig, aber sie hielten durch.
    Er ging mit den Fotos ins Café Politik und setzte sich in eine Nische. Er fühlte sich ungefähr so, als wollte er ein Geschenk auspacken, die gleiche Hoffnung, die gleiche Aufregung, nur auf der dunklen Seite – Kehrseite, das war das Wort, das Julia benutzt hätte. Das Foto wäre der angenehme Beweis, dass er sich sein Erlebnis im Forth nicht eingebildet hatte; leider wäre es auch der weniger angenehme Beweis dafür, dass jemand tot war.
    Eine Kellnerin brachte ihm Kaffee, und als sie wieder hinter der Theke stand, öffnete er den Umschlag mit den großformatigen Hochglanzfotos. Sie waren in der Reihenfolge ausgedruckt worden, wie sie gespeichert waren – die ersten drei waren tatsächlich von Jackson, aufgenommen in Frankreich an Weihnachten im Schnee, als Julia ihre neue Kamera ausprobierte. Er sah auf allen drei Fotos mehr oder weniger gleich aus, auffällig gestellte Posen, auf dem letzten lächelte er halb, nachdem Julia ihm gut zugeredet hatte.
Komm, Schatz, versuch es noch ein bisschen, dann schaffst du es
. Er hasste es, fotografiert zu werden.
    Dann kamen noch ein paar weitere Fotos aus Frankreich und dann nichts bis Venedig, weil Julia die Kamera vergessen hatte, als sie nach Neujahr nach London zurückkehrte. Sie hatte hastig gepackt, typisch Julia, und dann hatten sie sich geliebt, ein Abschied in letzter Minute, als sie bereits unterwegs zum Flughafen hätte sein sollen.
    Er wählte Louises Handynummer. Es klingelte lange.
    Venedig sah noch immer schön aus, aber jetzt schienen die kleinen Canalettos wie quälende Bilder von ihrer glücklichsten Zeit, ihres gemeinsamen goldenen Zeitalters als Paar. Kurz bevor die Risse auftauchten.
Ein Paar? Siehst du uns so?
    Als Louise Monroe ihn gestern »Jackson« genannt hatte
(Seien wir ehrlich, Jackson, auf dem Papier sieht es einfach nicht gut aus für Sie),
hatte es sich angefühlt, als wäre ein Schalter umgelegt worden, das kaum hörbare Summen des elektrischen Stroms, der zu fließen begann. Du Schuft, Jackson. Er hatte eine bessere Meinung von sich gehabt.
    Seien wir ehrlich, sie war sein Typ. Julia war so sehr nicht sein Typ, dass sein Radar sie normalerweise nicht erfasst hätte.
Louise
. Das passierte, wenn man auf die dunkle Seite hinüberwechselte. Wenn er der böse Jackson wurde, dann gelüstete es ihn nach anderen Frauen.
Sei auf der Hut vor Fischen,
hatte Julia gesagt. War Louise Monroe Fisch? Sie wäre ein neuer Weg, nicht notwendig ein guter oder besserer Weg, nur ein neuer.
    Nach langem Klingeln meldete sich eine Männerstimme (piekfeines Edinburgh): »Das Monroe-Anwesen. Kann ich behilflich sein?«
    Jackson war überrumpelt, er hatte nicht mit einem Mann gerechnet, geschweige denn mit einem anmaßenden Wichser. Bevor er etwas erwidern konnte, meldete sie sich mit einem ungeduldigen: »Ja?«
    »Jackson, Jackson Brodie«, sagte er.
    Er betrachtete das letzte Venedig-Foto. Es war der Blick aus dem Fenster ihres Hotelzimmers über die Lagune, das Julia im letzten Moment noch gemacht hatte.
(Warte – sonst vergessen wir diesen Blick),
bevor sie das Boot von Cipriani für die letzte Fahrt zum Markusplatz bestiegen. Sie hatte recht gehabt, er hätte den Blick vergessen, wenn es dieses Foto nicht gäbe. Aber letztlich, gleichgültig, wie schön, es war nur eine Aussicht. Er verstand, warum sie immer Menschen auf den Fotos haben wollte – hätte sie am Fenster gestanden mit der Lagune in ihrem Rücken, wäre es ein völlig anderes Foto geworden.
    Dann kam

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