Liebesdienste / Roman
nachdenken, was für eine Bedeutung er hatte. Er vermisste das Gefühl von Haut auf Haut, Julias Pfirsichrundungen. Er passte sich den vertrauten Kurven und Wölbungen ihres Körpers an, aber statt sich an ihn zu drücken und sich seiner Form anzupassen, rutschte sie von ihm weg und murmelte etwas Unverständliches. Julia redete viel im Schlaf, alles Geschnatter, nichtsdestoweniger hörte Jackson in letzter Zeit genau hin für den Fall, dass sie etwas Geheimes und Verborgenes preisgab, das er besser (oder wahrscheinlicher besser nicht) wissen sollte.
Er presste sich noch fester an sie und küsste ihren Nacken, doch sie schlief weiter. Es war schwierig, Julia zu wecken, außer er schüttelte sie. Einmal hatte er mit ihr geschlafen, während sie schlief, und sie hatte kaum gezuckt, als er in ihr gekommen war. Er hatte es ihr danach nicht erzählt, weil er nicht sicher war, wie sie reagieren würde. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie sonderlich verärgert gewesen wäre (sie war schließlich Julia). Wahrscheinlich hätte sie nur gesagt: »Ohne mich? Wie konntest du nur?« Technisch gesprochen war es natürlich eine Vergewaltigung. Er hatte zu seiner Zeit genügend Typen verhaftet, die ein betrunkenes oder unter Drogen stehendes Mädchen missbraucht hatten. Und, um ehrlich zu sein, Julia schlief so fest, dass eine Spur Nekrophilie dabei gewesen war. Er hatte einmal einen Nekrophilen festgenommen: Der Kerl arbeitete in einem Leichenschauhaus und sah nicht ein, »was schlimm daran war«, weil »die Objekte meiner Zuneigung allem Irdischen weit entrückt sind«.
Über Amelias Schlafanzug und Nekrophilie hatte Jackson jegliches Verlangen abgetötet, mit dem er erwacht sein mochte. Vielleicht war Julia immer noch sauer auf ihn. Jackson legte ein Ohr wie ein Stethoskop an ihren Rücken und horchte auf ihren rasselnden Atem. Das Gleiche hatte er bei der drei Jahre alten Marlee getan, als sie Bronchitis hatte. Julias Lungen würden sie letztlich umbringen. Irgendetwas an ihr drängte die Vermutung auf, dass sie nicht alt werden würde. Lange bevor sie Rente bekäme, hätte sie Emphyseme und müsste eine Sauerstoffflasche mit sich herumschleppen, die so groß war wie sie. Julia entwand sich ihm weiter.
Alles unterlag den Gesetzen der Entropie, sogar Sex, sogar Liebe. Ein langsames Verlöschen der Leidenschaft. Offensichtlich nicht die Liebe zu seiner Tochter, die war ein nicht zu durchtrennendes Band. Oder zu seiner Schwester. Er hatte seine Schwester aus tiefstem Herzen geliebt, aber Niamh war »allem Irdischen zu weit entrückt«, als dass er noch das Zerren und die Dringlichkeit dieser Liebe verspürt hätte. Nur noch Traurigkeit war geblieben.
Er stützte sich auf den Ellbogen und betrachtete Julias Gesicht. Er hatte das Gefühl, als würde sie nicht wirklich schlafen, als würde sie schauspielern.
»Nicht«, sagte sie, drehte sich um und presste das Gesicht in das Kissen.
Als er wieder erwachte, kniete Julia auf dem Bett neben ihm, nur in ein Handtuch gewickelt. Sie hielt ein Tablett mit Kaffee, Rühreiern, Toast.
»Frühstück!«, rief sie gut gelaunt.
Jacksons Uhr stand auf sieben. »Einen Augenblick lang dachte ich, du wärst Julia«, sagte er.
»Ha, sehr komisch. Ich konnte nicht schlafen.« Ihr feuchtes Haar war auf einer Seite des Kopfes zu einem verrückten Pferdeschwanz zusammengefasst, und sie roch seifig sauber. Sie bewegte sich in einer Raute aus Sonnenlicht, und er sah die dunklen Ringe unter ihren Augen und einen Schatten wie von etwas Todbringendem auf ihrer Stirn. Vielleicht war es nur Enttäuschung.
Sie setzte sich im Schneidersitz aufs Bett und las ihm sein Horoskop vor: »›Schützen erleben im Augenblick harte Zeiten. Sie haben das Gefühl, nicht zurechtzukommen, aber sorgen Sie sich nicht, Sie sehen Licht am Ende des Tunnels
.
‹ Stimmt das? Machst du gerade eine harte Zeit durch?«
»Nicht härter als üblich.«
Er fragte sie nicht, was die Sterne ihr sagten, damit hätte er für glaubwürdig erklärt, was er für Unsinn hielt. Er vermutete, dass auch Julia es für Unsinn hielt und dass es nur eine Pose war.
»Machst du eine harte Zeit durch? O ja, das tust du, oder? Du kämpfst auf der Straße,
raufst,
bringst Hunde um …«
»Ich habe den Hund nicht umgebracht.«
»Wirst ins Gefängnis geworfen, verurteilt. Sie werden dich bei der Polizei nicht wieder nehmen, Schatz.«
»Ich will nicht wieder zur Polizei.«
»Doch, das willst du.«
Es war erstaunlich, was ein
Weitere Kostenlose Bücher