Liebesdienste / Roman
für Eile«, hatte er gescherzt und sich vor Verlegenheit gewunden.
»Da?«
Sie hatte offenbar kein Wort verstanden, aber entgegenkommend gelacht. Die Erinnerung traf ihn wie der Hieb einer unsichtbaren Faust in den Bauch, und er beugte sich vor.
»Mädchen«, sagte einer von ihnen plötzlich, »wir sollten losziehen und ein paar Mädchen auftreiben.« Die Idee wurde mit furchterregender Begeisterung aufgenommen.
»Tabledancing!« Richard kicherte wie ein Teenager.
»Oh, entschuldigen Sie, Martin«, sagte ein anderer, »tut mir leid, dass wir so hemmungslos hetero sind.«
»Glauben Sie, ich bin schwul?«, fragte Martin erstaunt. Alle wandten sich ihm zu, als hätte er zum ersten Mal etwas Interessantes gesagt.
»Das ist schon in Ordnung, Martin«, sagte Richard. »Alle sind schwul.«
Martin hätte dieser lächerlichen Behauptung widersprochen, musste aber feststellen, dass er gerade ein Stück Huhn aus seinem »Gemüse-Biryani« kaute. So diskret wie möglich entfernte er es aus dem Mund und legte es auf den Tellerrand. Das letzte knorpelige Überbleibsel eines armen, misshandelten Vogels, der in einem fremden Land mit Hormonen, Antibiotika und Wasser vollgepumpt worden war. Er hätte weinen mögen.
»Ist schon okay, Martin«, sagte Richard Moat und schlug ihm auf den Rücken, »Sie sind unter Freunden.«
Ohne ihn zu fragen, ob er überhaupt hingehen wollte, setzte Richard ihn davon in Kenntnis, dass er ihm an der Kasse eine Karte für die Radioaufzeichnung hatte zurücklegen lassen. Aber als Martin dort nachfragte, sagte ein gleichgültiges Mädchen hinter dem Schalter zu einem anderen gleichgültigen Mädchen: »Haben wir Freikarten auf Richard Moats Namen?« Das andere Mädchen zog ein Gesicht und schaute sich um, während das erste wieder auf ihren grellen Bildschirm blickte.
Martin starrte auf ein Plakat für Richards Show, eine Nahaufnahme von Richards komisch verzogenem Gesicht. Darunter stand: »Richard Moat – Komisches Viagra für den Kopf«. Martin fand das eher abstoßend als einladend.
Als keins der beiden Mädchen ihn weiter beachtete, deutete Martin auf den schiefen hölzernen Kasten an der Rückwand. Unter jedes Fach war mit Tesafilm ein Namensschild geklebt. Das Fach »Richard Moat« enthielt einen weißen Umschlag. Das zweite gleichgültige Mädchen las den Namen auf dem Umschlag. »Martin Canning?«, sagte sie argwöhnisch und reichte ihm den Umschlag, ohne eine Bestätigung abzuwarten. Er kontrollierte die Karte und fand eine handgeschriebene Nachricht: »Ihr Wagen steht vor Macbet im Leith Walk, Gruß, R.«
»Kann ich gleich rein?«, fragte Martin, und das erste Mädchen sagte, ohne vom Bildschirm aufzublicken: »Nein, Sie müssen sich anstellen.«
»Danke«, sagte er, unsichtbar und ungehört, und reihte sich in die Schlange ein. Und dann stieg der Mann mit dem Baseballschläger aus dem Honda.
7
J ackson kämpfte sich die Royal Mile hinauf, durch die Menschenmassen, vorbei an Ständen mit billigen schottischen Souvernirs, bis er schließlich vor der Burg haltmachte, die wie eine Festung der Katharer auf dem vulkanischen Felsen emporragte.
Er bezahlte den Eintrittspreis, ging die Esplanade entlang, passierte zwei hohe Gerüste, die für das Edinburgh Tattoo, den Zapfenstreich, errichtet worden waren – »Der Zapfenstreich ist zu hundert Prozent ausverkauft«, hatte Julia neidisch gesagt, und Karten waren so selten wie »Goldstaub«, doch ein paar Minuten nach ihrer Ankunft in Edinburgh schenkte ihr ein Fremder (angeblich ein Dudelsackpfeifer, obwohl Jackson keine Anzeichen eines Dudelsacks entdeckte) Freikarten für den Zapfenstreich. Sie versuchte, sie Jackson anzudrehen, aber er konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als zwei Stunden in der Dunkelheit und sommerlichen Feuchtigkeit zu sitzen und ein kitschiges Spektakel anzusehen, das nichts mit der militärischen Wirklichkeit zu tun hatte.
»Betrachte es nicht als etwas Militärisches, sondern als Theater. Massenhaft Dudelsäcke und Trommeln«, sagte Julia und las aus dem Programmheft vor, das ihr der angebliche Dudelsackspieler überreicht hatte, »und eine Stuntshow mit Armeemotorrädern. Highland-Tänzer? Und, schau nur, ›Russischer Kosakentanz‹. Das hört sich doch gut an, oder?«
»Nein.«
Jackson konnte sich nicht vorstellen, dass für Julias Stück auch nur eine Karte verkauft wurde, dass jemand tatsächlich gutes faltbares Geld zahlte, um
Auf der Suche nach dem Äquator in Grönland
zu sehen.
Die Burg
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