Liebesdienste / Roman
Fäkalien oder Würmer oder etwas Giftiges darin finden? Es dauerte ein paar panische Momente, bis sie erkannte, dass es eine Urne war und dass sich in der Urne die Überreste ihrer Mutter befanden. Aus unerfindlichem Grund hatte sie etwas Geschmackvolles, Klassisches erwartet – eine Amphore aus Alabaster mit Deckel und Blätterknauf, nicht dieses Plastikding, das alle Welt für eine Teedose gehalten hätte. Sie erinnerte sich, dass der Cousin ihrer Mutter angeboten hatte, die Asche aus dem Krematorium abzuholen. Wenn sie sich hätte darum kümmern müssen, sie hätte sich die Mühe gespart.
Jetzt hatte sie das Problem, was sie mit den Überresten tun sollte. Konnte sie sie einfach in die Abfalltonne werfen? Das verstieß womöglich gegen das Gesetz.
Sie drehte den Schlüssel im Schloss und musste der Tür einen heftigen Stoß versetzen, damit sie sich öffnete. Der Sommer war nass gewesen, und alles Holz im Haus hatte sich verzogen. Die Tür hatte allerdings von Anfang an nicht richtig geschlossen. Das Haus war erst drei Jahre alt, doch ärgerlicherweise waren alle möglichen Dinge nicht in Ordnung – und wurden auch nie in Ordnung gebracht, gleichgültig, wie oft sie sich beschwerte –, Risse im Verputz, schief angebrachte Steckdosen, eine Küchenspüle, die nicht richtig montiert war. Danke, Graham Hatter. Das Modell Kinloch war das kleinste Reihenhaus, das zum Kauf angeboten wurde, aber es war ein Haus, ein richtiges Haus, mit zwei Fenstern und einer Tür, wie sie es als Kind gezeichnet hatte. Ein Haus für eine ideale Familie, auch die hatte sie gezeichnet – Mutter, Vater, zwei Kinder und ein Hund. Tatsächlich hatte sie nur eine Mutter gehabt, noch dazu eine hundsmiserable. Arme Louise.
Wenn sie an sich als Kind dachte, dann für gewöhnlich in der dritten Person. Sie war davon überzeugt, dass ein Psychiater einen Mordsspaß damit haben würde, aber kein Psychiater käme jemals in die Nähe ihres Kopfes.
Moderne Häuser waren Scheiße, aber die Siedlung (Glencrest) war sicher, soweit etwas überhaupt sicher sein konnte. Die meisten Nachbarn in ihrer kleinen Enklave kannten einander, wenn auch nur vom Sehen. Es gab keine Kneipen in der Nähe, dafür eine Bürgerpatrouille und junge Frauen mit Buggys, die in Mutter-Kind-Gruppen gingen, und Männer, die am Wochenende die Autos wuschen. Es war so normal, wie es nur sein konnte.
Sie nahm die Urne mit ins Haus und stellte sie auf die Ablauffläche der Spüle. Sie schraubte den Deckel ab, schüttete etwas vom Inhalt auf eine Untertasse und stocherte mit einem Messer darin herum wie jemand von der Spurensicherung. Es war sandig, mehr wie Schlacke als Asche, und es hätte Louise nicht verwundert, wenn sie ein Stück Zahn entdeckt hätte, einen identifizierbaren Knochen. Giftiger Sondermüll. Wenn sie etwas Wasser dazutäte, würde ihre Mutter vielleicht wiederauferstehen, Lehm aus Staub in neuer Form. Ihre Mottenflügellungen würden sich wieder mit Luft füllen, und sie würde wie ein Dschinn aus der Urne entweichen und sich Louise gegenüber an den zu kleinen Tisch in der zu kleinen Küche setzen und ihr erklären, wie sehr sie all die schlimmen Dinge bedauerte, die sie getan hatte. Und Louise würde sagen: »Es ist viel zu spät, sieh zu, dass du zurückkommst in deine Urne.«
Der alte, arthritische Kater sprang unbeholfen auf die Ablauffläche und schnüffelte hoffnungsvoll an der Untertasse. Jellybeans Gesundheit ließ nach, in ihm wuchs ein Tumor, und der Tierarzt sagte, dass »es bald so weit sei, eine Entscheidung zu treffen«.
Jellybean war einst ein winziges, rasendes Fellknäuel gewesen, so leicht wie ein Federball, jetzt war er ein schlaffer Sack Knochen. Er war älter als Archie, ja, Louise kannte den Kater länger als sonst irgendjemanden, abgesehen von ihrer Mutter, aber die zählte nicht. Sie hatte ihn als Kätzchen gefunden, zurückgelassen in einem leeren Haus. Sie hatte nie ein Haustier gehabt und mochte keine Katzen – sie mochte immer noch keine Katzen, aber sie liebte Jellybean. Das Gleiche galt für Kinder, sie mochte keine Babys, sie mochte keine Kinder, aber sie liebte Archie. Sie konnte es nie jemandem sagen (vor allem nicht Archie), weil man sie für verrückt halten würde, aber sie liebte Jellybean möglicherweise ebenso sehr wie Archie. Vielleicht sogar mehr. Die beiden waren ihre Achillesferse. Es hieß, Liebe mache stark, aber Louises Ansicht nach machte sie schwach. Liebe drehte sich wie ein Korkenzieher ins Herz, und
Weitere Kostenlose Bücher