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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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hätte sich eine Kreditkarte besorgt, was nicht besonders schwierig war, er war gut mit Computern, aber nicht so gut wie sein Freund Hamish Sanders. Hamish war erschreckend gut für einen Vierzehnjährigen. Jungen waren definitiv dafür programmiert. Hamish hatte Louise drahtloses Breitband installiert. Der Junge war ein Hacker, davon war sie überzeugt. Sie mochte Hamish nicht, er war ein geborener Lügner und steckte voller beschissener Ideen. Auch Louise war eine geborene Lügnerin, aber ihre Lügen neigten dazu, nützlich zu sein, nicht bösartig. Das war zumindest ihre Entschuldigung.
    Als Archie ihn zum ersten Mal nach Hause mitbrachte, sagte Hamish: »Hallo, Ms. Monroe, ist es okay, wenn ich Sie Louise nenne?« Und sie war so überrascht, dass sie nicht sagte: »Nein, ist es nicht, du kleiner Wichser.« Hamish war Archies neuer Freund. Er war von seiner schicken Schule verwiesen worden, und seine Eltern hatten Gillespie so lange geschmeichelt, bis sie ihn dort aufnahmen. Louise versuchte noch immer herauszufinden, weswegen er von der Schule verwiesen worden war. »Wegen irgendwas«, sagte Archie. »Deine Mum ist so eine Schnüfflerin, Archie«, hatte sie Hamish sagen hören, »sie ist so energisch, das liebe ich.«
    Sie war nicht sicher, was Archie selbst vom Hacken verstand. Es wäre nicht so besorgniserregend, wenn sie versuchen würden, das Pentagon zu knacken oder einen Multi zu stürzen, aber wahrscheinlich brachten sie das E-Mail-Programm eines armen Kerls in Singapur oder Düsseldorf zum Absturz.
    Die Sache mit dem Ladendiebstahl war vermutlich eine einmalige Sache gewesen. Alle Kinder klauten. Louise hatte geklaut. Woolworth bat einen ja darum, die Sachen in die eigene Tasche zu stecken – Süßigkeiten, Stifte, Schlüsselanhänger, Lippenstifte?–, und Louise hätte nichts von dem Zeug gehabt, wenn sie es nicht geklaut hätte. Als sie älter war, arbeitete sie samstags als Aushilfe bei Woolworth und übersah die stehlenden Kinder geflissentlich. Aber bei ihrem eigenen Sohn war es etwas anderes. Tu, was ich dir sage, nicht, was ich getan habe.
    Aber man musste auch das Positive sehen – er hatte Freunde (Möchtegern-Grufti-Faulpelze wie er selbst, doch Freunde waren Freunde), und er war nicht tot. Was Kinder betraf, war das das Wichtigste. Der Tod war unvorstellbar. Denk nicht dran, sonst wird es wahr, wie eine Art böses Voodoo.
    »Wie war’s in der Schule?« Die tägliche Litanei, seit er fünf war. »Was habt ihr gemacht?« Noch nie hatte sie eine befriedigende Antwort erhalten.
Wir haben einen Baum gezeichnet, es gab Eiercreme zum Essen, ein Junge ist hingefallen und hat sich wehgetan.
Keinerlei Information über den Lehrplan. Louise fragte sich, ob sie ihnen überhaupt etwas beibrachten. Jetzt bekam sie nicht einmal mehr diese kleinen Häppchen.
    Archie murmelte etwas.
    »Was?«
    »Irgendwas«, sagte er und schaute auf den Boden.
    Sie konnte sich nicht an das letzte Mal erinnern, dass er ihr in die Augen geblickt hatte.
    »Ihr habt ›irgendwas‹ in der Schule gemacht?«
    »Ja.«
    »Kannst du etwas genauer werden?«
    »Hm.« Er machte den Eindruck, als würde er nachdenken, aber sein Blick war verschwommen, distanziert. Hatte er etwas genommen? »Was die Nazis für uns getan haben«, sagte er schließlich.
    »Ich glaube, da hast du was falsch verstanden.«
    Sie hätte gern mit ihm gestritten, laute, heftige Worte gewechselt, aber das ließ er nicht zu. Wenn sie ihn hart anging, blieb er stumm, wartete geduldig, bis sie fertig war, und sagte dann: »Kann ich jetzt gehen?«
    Das Telefon klingelte. Sie wusste, dass es wegen der Arbeit war. Es war ihr freier Tag, aber sie waren unterbesetzt, viele hatten die Grippe, sie hatte den ganzen Tag damit gerechnet, dass man sie anrufen würde. Sie beobachtete Archie, während sie telefonierte. Er trug einen Starrwettbewerb mit dem Kater aus, vermutlich war Jellybean keine große Konkurrenz, weil er den grauen Star hatte und jetzt ebenso gegen Wände und Möbel rumpelte wie Archie. Archie schien keine zärtlichen Gefühle für Tiere zu hegen, aber sie hatte nie gesehen, dass er ein Tier aktiv quälte. Er war kein potenzieller Psychopath, rief sie sich ins Gedächtnis, nur ein vierzehnjähriger Junge. Ihr Baby. Sie legte auf. »Ich muss weg«, sagte sie. »Draußen in Cramond hat es einen Zwischenfall gegeben.«
    »Ich weiß, was Zwischenfall heißt«, sagte er. »Es heißt, dass jemand tot ist.«
    Louise wünschte, die Vorstellung würde ihn nicht so

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