Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
Vom Netzwerk:
und er fiel auf die Knie. So etwas hatte er noch nie zuvor erlebt, man hörte davon, aber man glaubte nicht, dass es wirklich geschah.
    »Sehr gut«, sagte der Mann.«Auf den Boden mit dir, wo du hingehörst.«
    »Was wollen Sie?« Richards Mund war so trocken, dass er kaum sprechen konnte. »Nehmen Sie alles. Alles hier im Haus.« Richard Moat machte im Kopf verzweifelt Inventur von Martins Haus. Da war eine gute Stereoanlage, ein phantastischer Fernseher mit Flachbildschirm in der Ecke hinter ihm. Er versuchte, mit einem gefühllosen Arm auf den Fernseher zu deuten, und sein Blick fiel auf Martins Rolex an seinem Handgelenk. Er versuchte, den Mann darauf aufmerksam zu machen.
    »Ich will nichts«, sagte der Mann (ganz ruhig, seine Ruhe war das Schlimmste).
    Richards Handy, das auf dem Tisch lag, klingelte und zerstörte die seltsame, intensive Intimität zwischen ihnen. Sie starrten beide darauf, eine bizarre Einmischung von außen. Richard Moat überschlug im Kopf, ob er sich darauf stürzen, es aufklappen und wer immer ihn um diese Uhrzeit anrief anschreien konnte:
Hilfe, ein Verrückter ist hier.
Ob er beweisen könnte, dass er keine Witze machte, und die Adresse nennen (wie jemand in einem Film, ein plötzlicher Erinnerungsfetzen, Jodie Foster in
Panic Room
), aber er wusste, dass es keinen Sinn hatte. Bevor er das Telefon auch nur berührte, hätte der Verrückte mit dem Baseballschläger seinen Arm getroffen. Richard ertrug nicht einmal den Gedanken an den Schmerz, den ihm der Verrückte zufügen konnte.
    Er begann wie ein Hund zu wimmern, er hörte es selbst. Jodie Foster war aus härterem Holz geschnitzt, sie würde nicht wimmern.
    Das Handy hörte auf zu klingeln, der Verrückte steckte es ein, lachte und sang die Titelmelodie von Robin Hood. »Eine Bande Schwuler, wenn du mich fragst«, sagte er zu Richard. »Glaubst du nicht?«
    Richard spürte, wie ihm warmer Urin den Oberschenkel hinunterrann.
    »Mir hat nicht gefallen, was du heute getan hast.«
    »Die Show?«, sagte Richard ungläubig. »Sie sind hier, weil Ihnen die
Show
nicht gefallen hat?«
    »So nennst du das?«
    »Ich verstehe nicht. Ich habe Sie noch nie gesehen. Oder?« Er war durchs Leben gegangen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, ob er andere kränkte oder nicht, jetzt ging ihm auf, dass er vielleicht besser aufgepasst hätte.
    »Bleib auf den Knien und schau mich an.«
    »Soll ich Ihnen den Schwanz lutschen?«, fragte Richard verzweifelt. Er versuchte, begierig zu klingen trotz seines strohtrockenen Mundes, trotz des warmen Flecks auf seinen Boxershorts. Er fragte sich, was er tun würde, damit dieser Mann ihn nicht schlug. Wahrscheinlich alles.
    »Du dreckiges Schwein«, sagte der Mann. (Okay, er hatte ihn missverstanden.) »Du sollst überhaupt nichts
tun,
Martin. Bloß deine verdammte Schnauze halten, verstanden?«
    Richard Moat öffnete den Mund, wollte erklären, dass er nicht Martin war, dass Martin oben in seinem Zimmer schlief und er ihn gern hinaufführen würde, damit er Martin statt seiner schlagen könnte. Aber er brachte nur ein Krächzen zustande: »Ich bin ein Komiker«, und der Mann warf den Kopf zurück und lachte, riss den Mund so weit auf, dass Richard Moat die Füllungen in seinen Backenzähnen sah. Er spürte, wie ihm ein Schluchzen in die Kehle stieg.
    »Oh, das bist du wirklich, daran besteht kein Zweifel«, sagte der Kerl, und dann schlug er zu, schneller, als Richard Moat es sich hatte vorstellen können, und Richard Moats Welt explodierte in Lichtblitzen – kleine glühende Fäden wie aus altmodischen Glühbirnen –, und ihm war klar, dass er seinen letzten Witz erzählt hatte. Er hätte schwören können, dass er Applaus hörte, und dann erloschen die kleinen Fäden einer nach dem anderen, bis es dunkel war, und Richard Moat entschwebte in die Dunkelheit.
    Seine letzten Gedanken galten seinem Nachruf. Wer würde ihn schreiben? Wäre er gut?

17
    J ackson erwachte aus dem Chaos eines Albtraums. Jemand, eine schattenhafte Gestalt, die er nicht erkannte, hatte ihm ein Paket überreicht. Jackson wusste, dass das Paket sehr wertvoll war, und wenn er es fallen ließe, würde etwas unvorstellbar Schreckliches geschehen. Das Paket war zu schwer und unhandlich, es hatte keinen fixen Schwerpunkt und schien sich in seinen Armen zu bewegen, und sosehr er es auch versuchte, er konnte es nicht festhalten. In dem Moment, als er begriff, dass ihm das Paket endgültig aus den Händen rutschen würde, wachte er zu

Weitere Kostenlose Bücher