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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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Bühne lag so weit unter der Erde, dass kein Handysignal den Stein durchdringen konnte. Jackson seufzte. Harte Zeiten in Babylon.

18
    L ouise brauchte zwanzig Minuten, um Archie zu wecken. Ohne diesen Aufwand hätte sie ihn noch im Bett vorgefunden, wenn sie von der Arbeit nach Hause kam. Jetzt stand er seit fast einer halben Stunde unter der Dusche. Es hätte sie nicht überrascht, wenn er dort wieder eingeschlafen wäre, jedenfalls wirkte er hinterher nie sauberer als zuvor. Sie dachte nicht gern darüber nach, was für andere Dinge er dort drin tun mochte mit seinem Mann/Jungen-Körper. Sie konnte sich kaum mehr erinnern, dass er einst brandneu gewesen war, so rosa und rein wie die Ballen von Jellybeans Pfoten, als er noch ein Kätzchen gewesen war. Jetzt wuchsen Archie überall Haare und Stoppeln, Pickel sprossen, seine Stimme fuhr Achterbahn, überschlug sich und stürzte ab aufs Geratewohl. Er machte eine unnatürliche Veränderung durch, als würde er sich von einem Jungen in ein Tier verwandeln, mehr Werwolf als Mensch.
    Es war jetzt nahezu unvorstellbar, dass Archie aus ihrem Körper gekommen war, sie konnte nicht glauben, dass er jemals in sie hineingepasst hatte. Eva wurde aus Adams Körper geformt, aber in Wahrheit kamen die Männer aus den
Frauen
 – kein Wunder, dass sie das um den Verstand brachte. Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe. Manchmal fragte man sich, warum sich irgendjemand die Mühe machte, aus der Wiege zu kriechen, wenn alles, was vor ihm lag, so verdammt schwierig war. Sie wusste, sie sollte nicht so denken, depressive Mütter produzierten depressive Kinder (sie hatte eine klinische Studie gelesen), sie hatte gedacht, sie könnte diesen Kreis durchbrechen, aber sie hatte keine sehr gute Arbeit geleistet.
    Louise trank Kaffee und starrte auf die Urne, die noch immer auf der Ablauffläche stand. Weib vom Weibe geboren. Vielleicht könnte sie ihren Inhalt wie Dünger im Garten verstreuen? Es gab kaum Mutterboden draußen – danke, Graham Hatter –, und ihre Mutter könnte zum ersten Mal in ihrem Leben zu etwas nütze sein. Sie merkte, dass sie sich auf die Lippe gebissen hatte und blutete. Sie mochte den Geschmack ihres Blutes, Salz und Eisen. Irgendwo hatte sie gelesen, dass Blut Salz enthielt, weil alles Leben aus dem Meer stammte, aber es fiel ihr schwer, es zu glauben – es klang eher poetisch als nach wissenschaftlicher Erkenntnis. Sie dachte an Archie als Embryo, mehr Fisch als Vogel, zusammengerollt in seiner wässrigen Umgebung, in ihr taumelnd wie ein Seepferdchen.
    Sie seufzte. Sie konnte sich jetzt noch nicht ihrer Mutter widmen. »Ich denke morgen darüber nach«, murmelte sie. Der Geist von Scarlett ließ grüßen, und sie zeigte sich mit einer kleinen Erwiderung erkenntlich:
Schön, Sie zu sehen, Ms. O’Hara.
    Es hätte der erste Mordfall werden können, in dem sie die Ermittlungen leitete, aber er erwies sich als Fata Morgana. Die Taucher hatten bei Tagesanbruch zu suchen begonnen und nichts gefunden. Sie hatte Sandy Mathieson hinausgeschickt. Irgendwie hatte sie gewusst, dass die Taucher nichts finden würden. Wahrscheinlich würde man ihr die Hölle heiß machen, weil sie Geld und Ressourcen verschwendet hatte. Sie wollte, dass die tote Frau auftauchte, nicht weil sie einer Frau den Tod wünschte, sondern weil sie beweisen wollte, dass die Frau nicht Jackson Brodies Phantasie entsprungen war. Sie wollte Rechtfertigung für Jackson Brodie. Der gerechtfertigte Sünder. War er ein Sünder? Waren wir das nicht alle?
    Gestern hatte Jessica Drummond seine Aussage bei der Polizei von Cambridge überprüft. Ja, er war dort bei der Kriminalpolizei gewesen, hatte aber vor ein paar Jahren aufgehört und sich als Privatermittler etabliert. »Ein Schnüffler, ein Privatdetektiv«, schnaubte Jessica (sie schnaubte wirklich). »
Selbstbildnis-eines-Jünglings-
Phantasien.«
    Übereifrig
hatten andere sie genannt. Sie versuchte so sehr, einer von den Männern zu werden, dass es schien, als habe sie angefangen, sich zu rasieren. Verglichen mit ihr, fühlte sich Louise wie ein großer, dicker, aufgeblähter rosa Marshmallow der Weiblichkeit.
    Schlimmer, fuhr Jessica fort. Brodie hatte Geld geerbt von einer Mandantin und sich nach Frankreich abgesetzt.
    »Wie viel Geld?«, fragte Louise.
    »Zwei Millionen.«
    »Sie machen Witze.«
    »Nein. Zwei Millionen Pfund von einer
sehr
alten Frau. Da fragt man sich doch, ob nicht
Nötigung
im Spiel war. Verwirrte

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