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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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Melodie.
    Er hatte vor Entsetzen gelähmt dagestanden und zugesehen, wie der Hund zähnefletschend auf ihn zustürmte wie ein übergewichtiger Turner auf das Pferd. Und »Heilige Mutter Gottes« gedacht, weil er glaubte, dass ihn nur göttliche Intervention retten könnte. Er wappnete sich, erinnerte sich an seine Ausbildung,
pack ihn an den Beinen, reiß ihn auseinander,
und siehe da, die Heilige Jungfrau höchstpersönlich musste für ihn eingeschritten sein, denn genau in dem Augenblick, als das wütende Biest nach ihm schnappte, sackte es zu seinen Füßen zusammen wie ein Luftballon mit einem Loch. Jackson starrte den Hund sprachlos vor Erstaunen an, wartete darauf, dass er sich aufrappelte und ihn mit den Zähnen zerfleischte, aber er zuckte nicht einmal mehr mit dem Schwanz. Und der Hundeliebhaber in Honda-Mann stieß einen entsetzlichen, gequälten Schrei aus, und er sank neben dem Tier auf die Knie. Und obwohl er ein verrückter, rasender Psychopath war, verspürte Jackson ein klein wenig Mitgefühl für jemanden, der einen so tiefen Schmerz empfand.
    Er kratzte sich am Kopf, Stan neben Honda-Mann Ollie, und überlegte, was er tun sollte. Wegrennen schien eine gute Option, aber irgendwie fühlte es sich nicht richtig an, einfach zu gehen. Bevor er sich für eine Variante entscheiden konnte – Honda-Mann umbringen oder trösten –, traf ein Polizist am Schauplatz des Geschehens ein. Sie befanden sich zwar in einer stockfinsteren Gasse, aber nahe der Royal Mile, und hatten genug Lärm verursacht, um den guten alten Bobby aus Greyfriars zu wecken, der einen Katzensprung entfernt den Schlaf der Gerechten schlief. Schreien funktionierte also, er würde diese Tatsache Marlee gegenüber betonen. Und auch Julia gegenüber.
    Jackson nahm an, dass es aus der Perspektive eines Polizisten nicht gut für ihn aussah – Honda-Mann mit zu Brei geschlagener Nase auf dem Boden, der um seinen Hund schluchzte, und Jackson, der vor beiden aufragte, sich nachdenklich am Kopf kratzte, den Mund voller Blut, das nicht seines war. Er hätte einfach die Hände hinhalten und sagen sollen: »Ich bin erledigt, Sie haben mich genau im richtigen Augenblick erwischt, Wachtmeister«, aber das tat er nicht. Er protestierte heftig
(Es war Notwehr, er hat mich angegriffen, er ist irre)
und landete in Handschellen auf dem Rücksitz eines Streifenwagens.
    Sein Auftritt vor Gericht heute Morgen war kurz und brutal gewesen. Der Polizist, der ihn verhaftet hatte, las seine Aussage vor. Er habe »Mr. Terence Smith« auf dem Boden in einer Blutlache und um seinen Hund weinend vorgefunden. Das Opfer beschuldige den Angeklagten, seinen Hund umgebracht zu haben, allerdings wies die Leiche keine erkennbaren Verletzungen auf. Der Angeklagte schien Mr. Smith zuvor in die Nase gebissen zu haben. Mr. Smith selbst gab ein weitgehend glaubhaftes Opfer ab – schick gekleidet in Hugo Boss, die Nase lila angeschwollen auf eine Weise, die Jackson eindeutig belastete. Mr. Smith sei seiner Wege gegangen, habe seinen Hund ausgeführt. Gab es einen unschuldigeren Zeitvertreib für einen Bürger, als den eigenen Hund auszuführen?
    Jackson hatte sich gestern Abend geweigert, sich vom Polizeiarzt untersuchen zu lassen, und behauptet, es gehe ihm »gut«. Dummer männlicher Stolz hatte ihn daran gehindert, seine Verletzungen einzugestehen. »Sie sind ein Besucher in dieser Stadt, Mr. Brodie«, hatte ihn Sheriff Alistair Crichton ermahnt, »und ich kann nur bedauern, dass wir nicht mehr in den alten Zeiten leben, als Sie der Stadt verwiesen worden wären.« Stattdessen hatte er ihm hundert Pfund wegen Körperverletzung aufgebrummt und gesagt, er solle »sich vorsehen«.
     
    »Warum hast du nicht auf unschuldig plädiert?«, fragte Julia. »Du bist ein Idiot, Jackson.« Sie klang nicht mehr verschlafen, ganz im Gegenteil.
    »Danke für dein Mitgefühl.«
    »Und was jetzt?«, fragte sie.
    »Weiß nicht. Werde wahrscheinlich versuchen, mich von jetzt an nicht mehr danebenzubenehmen.«
    »Das ist nicht komisch.«
    »Außer du wärst gern eine Gangsterbraut.«
    »Das ist nicht komisch.«
    Jackson hörte, wie im Hintergrund eine Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde, und dann Stimmen. Ein Mann stellte eine Frage, die Jackson nicht verstand, und Julia wandte den Kopf vom Telefon ab und sagte: »Ja, bitte.«
    »Bist du in einem Geschäft?«
    »Nein, bei der Probe. Ich muss jetzt los, bis später.« Und weg war sie. Sie konnte nicht bei der Probe sein, die

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