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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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Tode erschrocken auf.
    Er setzte sich aufrecht auf die Kante dessen, was hier als Bett galt. Er fühlte sich hundeelend, als wäre sein Körper über Nacht durch eine riesige Mangel gedreht worden, und seine Augen schienen pochiert worden zu sein – möglicherweise auch gebraten –, während er schlief. Seine Rippen schmerzten, und in seiner Hand pochte es, sie war ganz schön angeschwollen, der Abdruck eines Stiefels deutlich erkennbar.
    Das Meerwasser, das gestern durch seinen Körper geströmt war, hatte sein Blut verdünnt, und es wären Hektoliter heißen starken Kaffees nötig, um seine Viskosität wiederherzustellen und Jackson zumindest wieder einen Anschein von Leben einzuhauchen. Er fragte sich, was für Gifte und Schadstoffe in dem Wasser herumschwammen. Und Abwässer, was war mit Abwässern? Am besten nicht daran denken.
    Die tote Frau fiel ihm ein – nicht dass er sie vergessen hätte –, er fragte sich, ob sie über Nacht irgendwo angeschwemmt worden war.
    In Frankreich würde er ungefähr um diese Uhrzeit in seiner
piscine
schwimmen gehen. Aber er war nicht in Frankreich, er war in einer Arrestzelle im Polizeirevier St. Leonard in Edinburgh.
     
    Nie zuvor war er in einer Gefängniszelle gewesen. Er hatte Leute hineingesteckt und Leute herausgeholt, aber er war nie in einer eingesperrt gewesen. Ebenso wenig war er schon einmal von einer Arrestzelle zu einem Sheriff Court in einer grünen Minna transportiert worden, die ihm vorkam wie eine Kreuzung zwischen einer öffentlichen Bedürfnisanstalt und seiner Vorstellung von einer Pferdebox. Auch hatte er nie zuvor auf der falschen Seite der Brüstung vor Gericht gestanden, und er war definitiv noch nie schuldig gesprochen und zu hundert Pfund Strafe verurteilt worden wegen Körperverletzung – von einem aufrechten Bürger zu einem abgeurteilten Straftäter, während der Sheriff mit seinen Reptilienaugen einmal langsam blinzelte. Mit jedem Moment wurde seine Lage ungewohnter. Er erinnerte sich, dass er, von Louise Monroe befragt, gedacht hatte, es sei interessant, auf der anderen Seite zu stehen. »Interessant« – da war das Wort: Offenbar hatte er den chinesischen Fluch aktiviert.
    Nachdem er das Gericht verlassen hatte, rief er Julia an, um ihr mitzuteilen, dass er wieder auf freiem Fuß war. Er hatte mit ihrer Mailbox gerechnet, weil er sich zu erinnern meinte, dass sie heute um elf eine Probe hätten – aber sie meldete sich verschlafen, als hätte er sie geweckt. »Oh, Gott, Schatz, alles in Ordnung?«
    Heute Morgen hörte er echte und rührende Besorgnis um sein Wohlergehen in ihrer Stimme, wohingegen sie gestern Abend, als er sie anrief, um ihr zu erzählen, was passiert war, deprimiert geklungen hatte, was für sie untypisch war.
    »Verhaftet? Du bist ein Witzbold, Jackson«, hatte sie seufzend gesagt.
    »Nein, wirklich – verhaftet und angeklagt«, erwiderte er.
Witzbold?
Was sollte das denn?
    »Wegen einer
Rauferei?«
    »Ich glaube, der technische Ausdruck lautet Körperverletzung. Morgen früh muss ich vor den Sheriff, und über Nacht muss ich ins Gefängnis.«
    »Um Himmels willen, Jackson,
musst
du denn immer Ärger suchen?«
    »Ich habe nicht danach gesucht, er hat mich von ganz allein gefunden. Wirst du mich fragen, wie es mir geht?«
    »Wie geht es dir?«
    »Meine Hand tut höllisch weh, und womöglich habe ich mehr als eine gebrochene Rippe.«
    »So was passiert, wenn man Faxen macht.«
    »Faxen?« Seine missliche Lage schien die (noch) bizarren Elemente ihres Vokabulars ausgegraben zu haben. Er hatte gedacht, sie wäre mitfühlend, aber sie hatte ihn mehr oder weniger abgewürgt, allerdings vermutete er, dass er sie mitten in der Nacht geweckt hatte, nachdem er angeklagt und ins Gefängnis geschafft worden war. Er hatte gehofft, dass sie ihm eine freundliche Nachricht auf dem Handy hinterlassen hätte, während es zusammen mit seinen anderen Habseligkeiten auf ihn wartete, aber die Mailbox war leer.
    Er wusste, was immer auch passierte, er durfte Julia nichts von dem Hund erzählen.
     
    »Du hast einen
Hund
umgebracht, Jackson?«
    »Nein! Der Hund ist einfach gestorben, ich habe ihn nicht umgebracht.«
    »Du hast ihn mit der Kraft deiner Gedanken getötet?«
    »Nein! Er hatte einen Herzinfarkt oder vielleicht einen Hirnschlag, ich weiß es nicht genau.« Er hörte, wie sich Julia eine Zigarette anzündete und tief inhalierte. Ihre Akkordeonlungen zogen sich auseinander und wieder zusammen, pfiffen ihre kränkliche

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