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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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Rippen, und ein höllischer Schmerz durchfuhr ihn. Der Typ hatte recht, er sollte nicht versuchen, den Schlaumeier zu spielen.
    »Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie für Unruhe gesorgt haben, Mr. Brodie.« (Der Typ kannte seinen
Namen
?) Jackson überlegte, ob er erklären sollte, dass er nichts dergleichen getan habe, dass er im Gegenteil davon abgesehen habe, bei der Polizei eine Aussage zu seinem Ausraster auf der Straße zu machen, und keinerlei Interesse daran habe, als Zeuge aufzutreten, aber er brachte nur ein »Uh« heraus, weil ihm Honda-Mann erneut einen Springerstiefel kräftig in die Rippen gestoßen hatte. Er musste vom Boden hoch, musste aufstehen. Alle
Rocky
-Filme schienen gleichzeitig vor seinem inneren Auge abzulaufen. Stallone, wie er am Ende den Namen seiner Frau rief, als würde er sterben.
Adrian!
Rocky
I–V
enthielten wichtige moralische Lektionen, überlebenswichtige sogar, aber was lehrten sie einen über den Umgang mit unschlagbaren Feinden? Mach weiter, auch wenn du keine Chance hast. Wenn es sonst nichts mehr zu tun gab, blieb einem nur, es bis zum Ende durchzustehen.
    Honda-Mann war wie ein Sumoringer in die Knie gegangen und provozierte Jackson mit Handbewegungen, als wollte er ihm helfen, rückwärts einzuparken, die universelle Macho-Geste für:
Mach schon, greif an
.
    Der Typ war doppelt so groß wie er, mehr eine unaufhaltbare Naturgewalt als ein Mensch. Jackson wusste, dass er nicht gegen ihn kämpfen und gewinnen, gegen ihn kämpfen und am Leben bleiben konnte. Plötzlich fiel ihm der Baseballschläger ein. Wo war er? Steckte er in seinem Ärmel? Nein, das wäre lächerlich, ein Zaubertrick. Sie umkreisten einander wie Gladiatoren, den Schwerpunkt tief gelagert. Honda-Mann hatte offensichtlich keinen Sinn für Humor, denn sonst hätte er Jackson dafür ausgelacht, dass er sich aufführte, als hätte er eine Chance gegen ihn.
Wo war der Baseballschläger?
    Der zweite gute Rat, den er Marlee und Julia immer wieder gab, betraf ihr Verhalten bei einem Angriff, sollten sie dumm genug gewesen sein, seinen ersten guten Rat zu ignorieren, und durch eine dunkle Gasse gegangen sein.
    »Du bist im Nachteil«, bläute er ihnen ein. »Größe, Gewicht, Kraft, alles spricht gegen dich, also musst du schmutzige Tricks anwenden. Daumen in die Augen, Finger in die Nase, Knie in den Schritt. Und schrei, vergiss nicht zu schreien. Jede Menge Lärm. Wenn es ganz schlimm wird, beiß zu, wo immer du kannst – in die Nase, in die Lippen, und zwar fest. Und dann schrei wieder. Immer schreien.«
    Er musste vergessen, wie ein Mann kämpfte, und wie ein Mädchen kämpfen. Sich wie das schwache Geschlecht zu orientieren hatte zwar nicht funktioniert, trotzdem ging er mit den Daumen auf Honda-Manns Augen los – und verfehlte sie, es war, als müsste er zu einem Basketballkorb hochspringen. Aber er schaffte es bis zur Nase und biss zu, lange. Nicht das Ekelhafteste, was er jemals getan hatte, aber fast. Honda-Mann schrie – das schauerliche Geheul eines Märchenbuchriesen.
    Jackson ließ los. Honda-Manns Gesicht war blutüberströmt, das gleiche Blut, das Jackson im Mund schmeckte, kupfern, widerlich. Er hielt sich an den eigenen Rat und schrie. Er wollte die Polizei alarmieren, er wollte besorgte Bürger und unschuldige Zuschauer alarmieren, er wollte irgendjemanden alarmieren, der den wahnsinnigen Berg von einem Mann aufhalten konnte. Bedauerlicherweise lockte sein Geschrei den Hund an, und da fiel es Jackson ein – nicht um den Baseballschläger musste er sich Sorgen machen, sondern um den Hund. Der Hund stürzte sich schnurstracks auf ihn, die Zähne gefletscht wie ein Höllenhund.
    Er wusste, wie man einen Hund umbrachte, theoretisch zumindest – man packte ihn an den Vorderpfoten und riss ihn im Grunde entzwei –, aber ein theoretischer Hund war etwas anderes als ein echter Hund, voll bepackt mit Muskeln und Zähnen, dessen einziger Ehrgeiz darin bestand, ihm die Kehle durchzubeißen.
    Honda-Mann hörte lange genug auf zu schreien, um dem Hund Befehle zu geben. Er deutete auf Jackson und brüllte: »Fass ihn! Bring ihn um!«
    Stumm und gelähmt vor Entsetzen, sah Jackson zu, wie der Hund durch die Luft auf ihn zusprang.

16
    R ichard Moat fuhr aus dem Schlaf hoch. Sein Kopf fühlte sich an, als wäre ein Wecker darin losgegangen. Er hatte keine Ahnung, wie viel Uhr es war. Martin war nicht so vorausschauend gewesen, ihm einen Wecker ins Gästezimmer zu stellen.
    Draußen war es hell, aber

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