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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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wie eine Nacht im Gefängnis. Jackson war am Verhungern, aber als er die Schränke in der winzigen Küche durchforstete, fand er nur Instantsauce und ein paar Teebeutel, die abstoßend nach Kräutern rochen. Das war etwas Nützliches, was er heute tun konnte, einen Supermarkt finden oder besser noch ein gutes Feinkostgeschäft, anständige Vorräte anlegen und am Abend etwas für sie beide kochen, etwas Gesundes. Jacksons kulinarisches Repertoire bestand aus fünf Gerichten, das waren fünf mehr, als Julia konnte.
    Er stellte sich vor, wie sein örtlicher Markt in Frankreich an diesem Morgen aussah, Tomaten im Überfluss, Basilikum, Käse, Feigen und große französische Pfirsiche, die zum Platzen reif waren. Kein Wunder, dass Nordländer arme Schweine waren, da sie sich über Tausende von Jahren von nassen Körnern und dünner Schleimsuppe hatten ernähren müssen.
    Julia hatte gestern vermutlich nichts gegessen, mittags hatte sie mit Richard Moat »etwas getrunken«. Nachdem er ihn gesehen hatte, wähnte sich Jackson relativ sicher, Julia würde sich nie und nimmer zu jemandem hingezogen fühlen, der so untalentiert war wie er. Der Typ war auf der Bühne
gestorben
.
    An den Wasserkessel gelehnt, stand eine Nachricht von Julia. Ihre selbstbewusste Handschrift verkündete schlicht: »Bis später, love, J.« Neben ihrer Initiale befand sich nur ein X für Kuss, keine Ausrufezeichen. Sie war jemand, der Ausrufezeichen großzügig benutzte, da sie meinte, dass sie alles freundlicher aussehen ließen.
    Jackson fand, dass sie erschreckend wirkten, musste aber feststellen, dass er sie vermisste, wenn sie nicht da waren. Er analysierte zu viel, da konnte man nicht viel hineinlesen in:
Bis später, love, J
. Oder? Das Fehlen von Ausrufezeichen, ein einziges X, die Initiale statt des Namens, die räumliche und zeitliche Unbestimmtheit von
Bis später
 – bis später wo?
    Sie hatten eine Probe (wirklich?), und dann fiel ihm ein, dass sie gesagt hatte, Tobias wolle ihnen »Hinweise« geben. Er war sicher, dass sie heute Abend nichts vorhatte. Er konnte Penne mit Pesto kochen, einen guten Salat, Erdbeeren, nein, sie mochte Himbeeren lieber. Ein bisschen Gorgonzola. Den mochte sie; er konnte ihn nicht ausstehen. Eine Flasche Champagner. Oder wäre Champagner zu festlich? Würde er die Tatsache betonen, dass sie kaum etwas zu feiern hatten? Wann hatte er angefangen, so viel nachzudenken?
    Er duschte, rasierte sich, zog frische Kleidung an. Zwar fühlte er sich nicht wie ein neuer Mensch, aber er sah wesentlich besser aus als der schäbige Kriminelle, der vor Gericht gestanden hatte. Seine Stiefel waren noch feucht vom Vortag, aber daran konnte er nichts ändern, er hatte schon Schlimmeres erlebt. Sein Gesicht war nicht gezeichnet, und dafür war er dankbar. Er hätte gern seine Hand verbunden – vor allem aus ästhetischen Gründen –, aber es war nicht gut, Prellungen einzuschnüren. Er hatte genügend Erste-Hilfe-Kurse gemacht, um etwas davon zu verstehen, wie man Leute versorgte. Er streckte die Hand ein paarmal unter Qualen, und es ging. Mittlerweile wüsste er, wenn etwas gebrochen wäre.
    Zumindest waren die Prellungen ein unwiderlegbarer Beweis für den Kampf mit Honda-Mann. Das Mädchen aus dem Wasser hatte keinerlei Spuren in seinem Leben hinterlassen. Er begann selbst, an dem Erlebten zu zweifeln. Vielleicht hatte er sich die Ereignisse in Cramond tatsächlich nur eingebildet. Vielleicht hatte er gewünscht, dass etwas passierte, etwas Interessantes, und dann alles erfunden. Wer wusste schon, zu welch unheimlichen Dingen das Gehirn in der Lage war? Aber nein, er hatte ihre bleiche Haut berührt, er hatte ihr in die blinden meergrünen Augen geblickt. Er musste den Beweisen seiner Sinne glauben. Sie war real, und sie war tot, und sie war irgendwo dort draußen.
     
    Nachdem er um die Ecke mit Kaffee und einem anständigen Frühstück seine Batterien aufgeladen hatte, machte er sich durch die Meadows auf den Weg in die Stadt.
    Eine Menge Leute waren im Park, keiner von ihnen tat etwas entfernt Nützliches. Mussten alle diese Leute nicht arbeiten? Da waren japanische Trommler, eine Gruppe von Leuten mittleren Alters (aufgrund ihrer Blässe vermutlich Schotten), die Tai-Chi machten – Jackson begriff Tai-Chi nicht; wenn man im Fernsehen Chinesen dabei zuschaute, sah es okay aus, aber in Schottland wirkte es, seien wir ehrlich, beschissen. Da waren ein paar Leute, die Statisten aus
Braveheart
hätten sein können und

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