Liebesdienste / Roman
Fanpost?«
»
Richard Moat, du bist ein wichsender Wichser.
Diese Art.«
»Und war er das?«, fragte Robert Campbell.
»Ja.«
»Darf ich Sie fragen, wo Sie letzte Nacht waren, Martin?«, fragte Campbell, sein breites freundliches Gesicht ließ nicht darauf schließen, dass er Martin in irgendeiner Weise für das verantwortlich machte, was seinem »Freund« letzte Nacht in seinem Haus zugestoßen war. Campbell seufzte – es war ein langer, tiefer Seufzer, wie ihn ein sehr trauriges Pferd ausstoßen würde –, während er auf Martins Antwort wartete.
Martin verspürte einen brennenden Schmerz unterhalb des Brustkastens. Er erkannte ihn als Schuldgefühl, obwohl er unschuldig war. In dieser Sache zumindest. Aber war das von Bedeutung? Schuld war Schuld. Irgendwem musste sie zugewiesen werden. Sie musste irgendwie bezahlt werden. Wenn kosmische Gerechtigkeit am Werk war, und Martin neigte dazu, es zu glauben, dann mussten am Ende des Tages die Gewichte gleich verteilt sein. Auge um Auge.
»Letzte Nacht?«, gab Campbell das Stichwort.
»Also«, sagte Martin, »da war ein Mann, und der hatte einen Baseballschläger.« Es klang wie der Anfang einer Geschichte, die überall hinführen konnte –
und er war einer der besten Spieler in der Liga
. Oder die traurige Fassung –
und als er erfuhr, dass er sterben würde, vermachte er den Schläger seinem Lieblingsenkel.
Die Gestalt, die die wahre Geschichte annahm, schien unglaublich im Vergleich mit ihren fiktiven Alternativen. Nur die Pistole erwähnte Martin nicht. Er konnte sich vorstellen, dass man dieses Detail als weit hergeholt finden würde.
26
B ill, der Gärtner, tauchte wie ein Gespenst vor der Terrassentür auf, und Gloria erschrak. Draußen schüttete es, aber Bill schien das Wetter nie wahrzunehmen. Wann immer Gloria es kommentierte,
Ist es nicht ein wunderschöner Morgen?
oder
Himmel, heute ist es aber kalt,
schaute er sich verblüfft um, als versuchte er, das Unsichtbare zu sehen. Es schien ein seltsamer Zug für einen Gärtner, sollte das Wetter nicht Teil seiner Natur sein? Sie bot ihm wie gewöhnlich Kaffee an, den er jedoch in fünf Jahren nicht einmal angenommen hatte. Er brachte stets eine khakifarbene Leinentasche mit einer altmodischen Thermosflasche und mehreren in Butterbrotpapier gewickelten Essenspaketen mit – Sandwiches vermutlich und Kuchen, vielleicht ein hart gekochtes Ei, alles von seiner Frau zubereitet.
Früher hatte Gloria immer für Graham Lunchpakete gemacht. Vor langer Zeit, als die Welt noch jünger und Gloria stolz darauf war, Blechkuchen zu backen und Würstchen im Blätterteigmantel zu machen und kleine Tupperware-Behälter mit Salat, Tomaten und Karottensticks zu füllen, die Graham auf irgendeinem Parkplatz gedankenlos in sich hineinstopfte. Oder vielleicht leerte er den Inhalt der Behälter auch in den nächsten Abfalleimer und aß in einem Pub mit einer großbusigen Frau Scampi und Pommes. Manchmal fragte sich Gloria, wo sie gewesen war, als der Feminismus aufkam – vermutlich machte sie gerade in der Küche abwechslungsreiche Lunchpakete. Selbstverständlich hatte Graham seit Jahrzehnten kein Lunchpaket mehr mitgenommen, und jetzt aß er gar nichts mehr, stattdessen wurden seinem Körper durch Schläuche geheimnisvolle Substanzen entnommen und zugefügt wie bei einem Astronauten.
Gloria fragte sich, warum Bill nicht im Schuppen war und seine kleinen Essenspäckchen auswickelte. Er räusperte sich unsicher. Bill war klein wie ein Jockey. Neben ihm kam sich Gloria wie ein Elefant vor.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie. Er war immer »Bill«, während sie immer »Mrs. Hatter« war, und seit Langem forderte sie ihn nicht mehr auf, sie »Gloria« zu nennen. Früher hatte er für irgendeinen Aristokraten in Borders gearbeitet und schien sich in einer Herrin-Sklave-Beziehung wohlzufühlen. Gloria rechnete halb damit, dass er sich verlegen an der Stirnlocke zog.
Ein Schokoladenfleck auf ihrer weißen Bluse lenkte sie ab. Vermutlich stammte er von den Sckokoladenkeksen, die sie zum Frühstück gegessen hatte. Sie stellte sich vor, wie ihr Körper, diese kleine Fabrik aus Zellen, die Schokolade, das Fett und das Mehl (und wahrscheinlich krebserregende Zusatzstoffe) aufnahm und sie über Förderbänder in unterschiedliche Verarbeitungszentren schickte. Diese Industrie, die dem höheren Wohl Glorias diente, arbeitete wie eine Kooperative und mit Gewinnbeteiligung. In dieser modellhaften Gloria-Fabrik waren die
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