Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
Vom Netzwerk:
Aggression genossen? Etwas, Gott bewahre, von seinem Vater?
    »Und man stelle sich vor, niemand hat etwas gehört«, sagte die alte Frau mit dem Labrador.
    »Etwas gehört? Was ist passiert?«, fragte Martin sie und blickte zu dem Polizisten. Durfte er fragen, gab es hier ein großes Geheimnis, von dem er nichts wissen sollte? Vielleicht hatten sie herausgefunden, dass Richard ein Terrorist war – unwahrscheinlich angesichts seines vollkommenen Desinteresses an allem, was nicht Richard Moat hieß. Richard! War Richard etwas zugestoßen? »Richard Moat«, sagte er zu dem Polizisten, »der Kabarettist, er wohnt bei mir, ist ihm etwas passiert?« Der Polizist runzelte die Stirn und sprach wieder in sein Funkgerät, diesmal mit mehr Dringlichkeit, dann sagte er zu der Frau mit dem Labrador: »Ich muss Sie leider bitten weiterzugehen, Madam.«
    Statt weiterzugehen, schlurfte die alte Frau näher zu Martin hin und flüsterte verschwörerisch: »Alex Blake, der Krimiautor – ist ermordet worden.«
    »Ich bin Alex Blake«, sagte Martin.
    »Ich dachte, Sie wären Martin Canning, Sir?«, protestierte der Polizist.
    »Der bin ich«, sagte Martin, aber er hörte den Mangel an Überzeugung in seiner Stimme.
     
    Ein ernster Mann stellte sich Martin als »Erster Hauptkommissar Robert Campbell« vor und ging mit ihm durch das Haus, als wäre er ein Makler, der versuchte, eine besonders lästige Immobilie loszuschlagen. Jemand gab Martin so etwas wie Duschhauben aus Papier, die er sich über die Schuhe ziehen musste
(Noch immer ein frischer Tatort, Sir),
und Erster Hauptkommissar Campbell murmelte leise: »Treten Sie vorsichtig auf, Sir«, als wollte er Yeats zitieren.
    In den Trümmern des Wohnzimmers waren zwei Techniker von der Spurensicherung noch bei der Arbeit – eifrige und unauffällige Personen, nicht glamourös und gut aussehend wie bei
CSI
. Martins Romane kamen ohne Spurensicherung aus, die Fälle wurden durch Intuition und Zufälle und plötzliche Eingebungen gelöst. Nina Riley fragte hin und wieder einen alten Freund ihres Onkels um Rat, einen »pensionierten Kriminologen« von eigenen Gnaden.
Oh, lieber alter Samuel, was würde ein armes Mädchen tun, wenn es sich nicht auf einen brillanten Geist wie den Ihren verlassen könnte?
Martin hatte keine wirkliche Vorstellung, was ein »Kriminologe« eigentlich tat, aber er füllte viele Lücken in Nina Rileys Bildung.
    Der Kriminologe lebte in Edinburgh, und Nina hatte ihn gerade in seinem Haus in der Nähe des Botanischen Gartens besucht. Sie war derzeit auf Seite einhundertfünfzig, auf dem Rückweg zur Black Isle, und hing von der Forth Bridge, während der Zug von Edinburgh nach Dundee über sie »hinwegdonnerte wie ein Drachen«. Donnerten Drachen?
Bertie, da haben wir uns ganz schön in die Bredouille gebracht, stimmt’s? Gott sei Dank, dass es nicht der Schnellzug von King’s Cross nach Inverness war, kann ich da nur sagen!
Aus seinem Wohnzimmer wehte ein Geruch nach Fäulnis heran. Lag Richard noch dort drin? Martin zuckte zusammen, seine linke Hand zitterte. Nein, nein, versicherte ihm Erster Hauptkommissar Campbell, die Leiche sei bereits ins Leichenschauhaus der Polizei gebracht worden. Das Haus war vom lebenden Richard Moat verschmutzt worden, und jetzt verschmutzte es der tote. Es gab keine Realität, rief er sich in Erinnerung, nur die Nanosekunde, das Atom eines Atemzugs. Ein Atemzug, der roch wie in einer Metzgerei. Jetzt war er froh, dass er weder gefrühstückt noch zu Mittag gegessen hatte.
    »Wie ist er gestorben?« Wollte er es wirklich wissen?
    »Wir müssen die Ergebnisse der Autopsie abwarten, Mr. Canning.«
    Martin wartete auf den richtigen Moment, um zu sagen: »Ich habe gerade unter Drogen eine Nacht in einem Hotel verbracht mit einem Mann, der eine Pistole hatte«, aber Campbell fragte immer wieder, ob im Haus etwas fehle. Das Einzige, was Martin einfiel, war seine Uhr, aber die war schon am Tag
davor
verschwunden.
    »Eine Rolex«, sagte er, und Campbell zog eine Augenbraue in die Höhe und sagte: »Eine Oyster Yacht-Master, achtzehn Karat? Wie Mr. Moat sie getragen hat?«
    »Ja? Glauben Sie, dass Richard bei einem Einbruch getötet wurde, der schieflief? Ist jemand eingebrochen, weil er glaubte, dass niemand da wäre
(weil ich unter Drogen eine Nacht in einem Hotel verbracht habe mit einem Mann, der eine Pistole hatte),
und Richard ist heruntergekommen und hat ihn überrascht?« Martin hörte sich sprechen wie ein
Aktenzeichen XY

Weitere Kostenlose Bücher