Liebeserwachen in Virgin River
war der Jahrmarkt für Kelly und mich ein magischer Ort.“ Sie erzählte ihm von ihrem ersten Besuch auf dem Rummel. „Solange wir noch klein waren, konnten wir das machen, deshalb war es für uns bloß eine Fantasie, über die andere Kinder sprachen, und wir glaubten, das nie mit eigenen Augen zu sehen. Das hatte sich so in unseren Köpfen festgesetzt, dass für uns ein Traum wahr wurde, als wir es endlich zum Jahrmarkt geschafft hatten. Colin, danke dafür, dass du das mitmachst. Ich glaube, zum Teil liegt es an dir, dass dieser Zauber für mich wieder aufgelebt ist. Es ist jetzt das dritte Mal, dass ich auf dem Jahrmarkt bin, und so schön war es noch nie.“
„Und damals als Teenager hast du da einen Jungen auf dem Rummel gefunden, mit dem du Händchen halten konntest, der dir solange Corn Dogs gekauft hat, bis du Bauchschmerzen hattest, der mit dir im Staub zu einer Country- und Westernband getanzt hat und dich hinterher im Hotel stundenlang geliebt hat?“
„Nein“, antwortete sie lachend.
„Dann hat der Zauber des Jahrmarkts für dich doch gerade erst begonnen, Jilly.“
Am Abend darauf war es schon neun Uhr, als sie die fünf Stunden dauernde Heimfahrt antraten. Denny bestand darauf, dass sie vorn neben Colin saß; er würde ohnehin auf dem Rücksitz ein Nickerchen machen.
„Ich hoffe, du hast die Telefonnummer von dem hübschen Mädchen bekommen, mit dem du getanzt hast“, sagte sie ihm beim Einsteigen.
„Ich habe die Telefonnummern von allen Mädchen, mit denen ich getanzt habe“, erklärte er.
„Dann kann ich nur hoffen, dass du sie auch noch alle zuordnen kannst“, meinte Colin lachend.
Und nicht lange nach diesem kurzen Gespräch war vom Rücksitz ein Schnarchen zu hören, und Jillians Kopf ruhte auf Colins Bein, während sie schlief. Immer wieder nahm er eine Hand vom Lenkrad und strich ihr über die seidigen Haare oder ihre Schulter den Arm hinunter.
Er gähnte nicht einmal, so entschlossen war er, seine kostbare Fracht sicher nach Hause zu bringen.
Jillian hatte bereits viele Dinge durch das Internet in Erfahrung gebracht, doch durch die Leute, die sie auf dem Jahrmarkt kennengelernt hatte, hatte sie eine Menge dazugelernt. Es gab viel zu tun. Während sie im August fortfuhr, eine reiche Ernte einzufahren, beantragte sie die Gewerbezulassung und füllte Formulare aus, die von der Bezirksaußenstelle des Landwirtschaftsministeriums abgezeichnet werden mussten. Zwar konnte sie sich in dieser Woche oder diesem Monat den Absatzmarkt für ihre Spezialitäten noch nicht erschließen, allerdings konnte sie damit anfangen, sich einen Namen zu machen.
Der Spätsommer war schwül und heiß, daher verbrachte sie viele Nächte mit Colin in seiner gemieteten Hütte am Bach. Das wundervolle, alte viktorianische Haus, das sie gerade gekauft hatte, verfügte nicht über eine Klimaanlage, während die Hütte, verborgen unter den hohen Bäumen, angenehm kühl blieb. Die Geräusche der Natur so tief im Wald waren wunderschön: das Zwitschern der Vögel, hier und da ein Quaken oder auch das Schnattern einer Kanadagans – nicht zu erwähnen, das Plätschern des Baches über den Steinen. Sie liebte ihr großes Haus, aber sie liebte auch seine kleine Hütte. Es war der Ort, wo sie zum ersten Mal eine ganze Nacht miteinander verbracht hatten. Und es gefiel ihr, dort morgens vor der Tür zu sitzen und zu sehen und zu hören, wie der Wald in der Morgendämmerung zum Leben erwachte. Dabei konnte sie häufig wilde Tiere beobachten, die zum Bach kamen, um sich an seinem Wasser zu laben. Es war ein magischer Platz. Tatsächlich schien jeder Ort, den sie in dieser Gegend aufsuchte, mit Träumen angefüllt zu sein, mit Fantasien und unvorstellbarer Schönheit.
Während Denny sich weiterhin um die Versorgung der Pflanzen und die Ernte kümmerte, ließ sie ihre Handelsmarke eintragen: Jilly Farms. Die reine Natur, alles ökologisch, alles köstlich. Und alles sentimental. Kein Mensch außer Colin hatte sie jemals Jilly genannt.
Sie war froh, jetzt keinen Umzug organisieren zu müssen, und zwar gleichermaßen wegen Colin als auch im Hinblick auf ihre geschäftlichen Verpflichtungen und ihr persönliches Wohlbefinden. Die Vorstellung, sie müsste das viktorianische Haus verlassen, war ebenso grauenvoll wie der Gedanke an Colins Afrikareise. Sie wollte den Wintergarten behalten, für den Fall, dass Colin zurückkehrte und wieder dort malte. Also legte sie eine ordentliche Summe für die Immobilie auf den Tisch,
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