Liebesfilmriss
Begeisterungsrufe in der Buchhandlung auf, woraus man schließen konnte, dass Marcus McBride seinen Auftritt hatte.
»Wow«, meinte Lucy beeindruckt, »ich habe noch nie einen echten Filmstar kennengelernt.«
»Du wirst auch jetzt keinen kennenlernen«, machte Davy ihr klar. »Das hier ist keine Cocktailparty. Du wirst in keiner Wäschekammer mit ihm schmusen können. Er hat Hunderte von Büchern zu signieren und nur eine Stunde dafür Zeit. Wenn er unser Buch signiert, stehen dir ungefähr zwei Sekunden zur Verfügung, um ein Foto zu schießen.«
»Du verstehst es wirklich, die Hoffnungen einer Frau aufzubauen«, sagte Lucy.
Im Lauf der nächsten dreißig Minuten schleppte sich die Schlange voran und schließlich hatten sie es in den Laden geschafft. Als sie sich dem Kopf der Schlange und somit dem Tisch näherten, an dem er saß, sahen sie ihn zum ersten Mal. Flankiert von vierschrötigen Aufpassern und uniformierten Sicherheitspersonal mit Hightech-Teilen in den Ohrmuscheln. Marcus signierte, was das Zeug hielt, und zeigte sein berühmtes Lächeln mit Fließbandregelmäßigkeit. Jeder, der hoffte, ein oder zwei Minuten mit ihm plaudern zu können, wurde mit fester Hand weitergeschoben.
Als sie nur noch wenige Meter entfernt waren und Davy zu langsam aufschloss, versetzte ihm der Mann hinter ihnen in der Schlange einen Stoß und brummte verärgert: »Hören Sie, wenn Sie kein Interesse haben, dann lassen Sie es ganz bleiben.«
Lucy hob eine Augenbraue. Davy wurde rot und tat so, als habe er das nicht gehört. In solchen Momenten spürte er immer, wie ihn sein Selbstvertrauen verließ – wenn Fremde etwas völlig Unangebrachtes sagten, hätte sich jemand mit mehr Mut das nicht gefallen lassen. Davy hatte die Grobheit anderer Menschen immer sehr zugesetzt, obwohl er nie wusste, wie er darauf reagieren sollte; infolgedessen reagierte er gar nicht, was echt armselig war. Ob Lucy erwartete, dass er etwas Schlagfertiges erwiderte, einen beißenden Kommentar, mit dem er den Mann hinter sich in seine Schranken wies?
Natürlich erwartete sie das. Davy schluckte schwer, schämte sich und tat so, als sei er ganz vertieft in das Regal mit Romanen für Jugendliche. So war er eben, so war er immer schon gewesen, und es gab nichts, was er hätte tun können, um das zu ändern. Selbst wenn es bedeutete, dass Lucy ihn für ein Weichei hielt.
Fast am Ziel. Marcus McBride trug ein enges, rosafarbenes T-Shirt, schwarze Jeans und blaue Cowboystiefel, weil er jene hehren Höhen am Himmel Hollywoods erreicht hatte, wo man alles anziehen konnte, was man wollte, und trotzdem nicht ausgelacht wurde. Was schön sein musste, dachte Davy neidisch. Die übergewichtige Frau vor ihm machte sich bereit, denn gleich war sie an der Reihe.
»Haben Sie das Buch auf der richtigen Seite aufgeschlagen? Gut, dann los«, befahl der strenge Feldwebeltyp, der für den Kopf der Schlange verantwortlich war. Die Frau stolperte an den Schreibtisch, hauchte atemlos: »Sie sind mein Lieblingsschauspieler!« und hielt Marcus McBride ihr Buch hin.
Ein Lächeln, ein Schnörkelautogramm, ein Lächeln, schon war alles vorbei.
»Der Nächste«, bellte der Feldwebel und Lucy machte sich für das wichtige Foto bereit.
»Schneller«, zischte der ungeduldige Mann hinter Davy.
Davy trat einen Schritt nach vorn, hielt McBride sein Buch hin und drehte sich unsicher leicht zur Seite, damit auf dem Foto nicht nur sein Rücken zu sehen war. Er spürte eher, als dass er sah, wie das Autogramm auf das Titelblatt des Buches gekritzelt wurde, das er immer noch hielt, und sah zu Lucy. In diesem Moment bemerkte er, dass der Mann hinter ihr sehr aufgeregt in seiner Hosentasche wühlte. Gott, wie peinlich. Er hoffte, dass der Mann nicht das tat, was er zu tun schien. Andererseits ließen sich manche Menschen mitreißen von der Hitze des …
Das Blitzlicht an Lucys Fotoapparat flammte auf und blendete Davy vorübergehend. Er hoffte, dass er auf der Aufnahme nicht allzu dusselig schaute. Der Feldwebeltyp machte heftige Weitergehen-Bewegungen. Im Bruchteil der darauffolgenden Sekunde sah Davy ein weiteres Aufblitzen, dieses Mal aus Metall. Er blinzelte und ihm wurde klar, dass der ungeduldige Mann ein Messer aus seiner Hosentasche gezogen hatte und es jetzt fest in der Rechten hielt, verborgen unter seinem Jackett. Die stets optimistische Lucy lächelte Marcus McBride strahlend an und ging an seinem Tisch vorbei. Der Feldwebel wedelte drängender mit den Armen. Als Nächstes
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