Liebesfilmriss
auf dem Weg nach Portsilver und habe mich gefragt, ob du die Zeitung von heute schon gelesen hast.«
»Es ist acht Uhr, ich habe noch nicht einmal den Wasserkessel aufgesetzt. Warum? Was steht denn drin?« Ginny griff nach der Zeitung, die Finn in der Hand hielt, aber er zögerte.
»Die Freunde deiner Tochter in Bristol, Davy und Lucy … Wie heißt Davy mit Nachnamen?«
Ginny kramte in ihrem Gedächtnis. »Äh … Stokes.«
Finn wirkte erleichtert. »Dann ist es der Richtige. Ich dachte es mir schon.« Er reichte ihr die zusammengefaltete Zeitung und meinte noch: »In Bristol gab es einen kleinen Zwischenfall. Meiner Meinung nach könnte es Jem die Ausrede bieten, die sie braucht, um bei ihren Freunden anzurufen.«
Die Klingel hatte offenbar auch Jem geweckt. Sie tauchte hinter Ginny auf der Treppe auf und meinte mit tonloser Stimme: »Ich habe keine Freunde in Bristol.«
»Ach nein?« Finn nahm die Zeitung wieder an sich. »Na, dann wird dich der Artikel auch nicht interessieren.«
Jem schaute trotzig. »Was hat meine Mutter Ihnen erzählt?«
»Dass du das Studium geschmissen hast.«
Sie nickte in Richtung der Zeitung. »Was hat Davy getan?«
»Wenn er nicht dein Freund ist, was kümmert es dich dann?«
»Verdammt, gib sie mir schon!« Ginny platzte beinahe vor Neugier und schnappte sich die gefaltete Zeitung. »
Ich
will es wissen!«
Finn meinte amüsiert: »Lass es aber Jem nicht sehen.«
Ginny machte große Augen, als sie den Artikel auf Seite 7 entdeckte. »O mein Gott.«
»Na schön«, grummelte Jem und lugte über ihre Schulter. »Ich will es doch wissen.«
Finn ließ sie damit allein. Gemeinsam lasen Ginny und Jem den Artikel.
»Gott sei Dank geht es ihm gut«, meinte Ginny zu guter Letzt. »Er hätte tot sein können.«
»Hm.« Jem schüttete vorsichtig Zucker in ihren Tee.
»Süße, Finn hat recht. Du solltest Davy anrufen.«
»Kann ich nicht.« Jem wurde von ihren Gefühlen sichtlich überwältigt, ihre Unterlippe zitterte. »Es hat keinen Sinn.«
»Aber natürlich hat es einen Sinn. Du kannst ihm gratulieren!«
»Wahrscheinlich bekomme ich dazu gar nicht die Chance«, meinte Jem kläglich. »Er legt sicher gleich wieder auf.«
Es hatte keinen Zweck. Ginny versuchte alles, um Jem zu ermuntern, aber ihre Tochter blieb unnachgiebig, denn sie war davon überzeugt, dass jeder Versuch, Kontakt mit Davy oder Lucy aufzunehmen, auf eine verächtliche Abweisung hinauslaufen würde.
»Können wir das Thema wechseln, Mum? Ich möchte nicht mehr darüber reden.«
Ihre Traurigkeit war so offensichtlich, dass Ginny hilflos die Hände hob.
26 Stunden später war Ginnys Stirn vor Anstrengung wie festgezurrt. Sie war berüchtigt für ihren schlechten Orientierungssinn, und in diesem Moment verlangte sie ihm alles ab. Es war sieben Monate her, seit sie zuletzt die M 5 nach Bristol gefahren war, und beim ersten Mal hatte sie nicht aufpassen müssen, weil Davy neben ihr auf dem Beifahrersitz gesessen und ihr gesagt hatte, wann sie links oder rechts abbiegen musste. Und das Navi half gar nichts, denn sie konnte Jem ja nicht nach Davys Adresse fragen.
Es dauerte eine Weile, aber schließlich bog Ginny in eine Straße, die sie vage wiedererkannte. An eines erinnerte sie sich deutlich: An den winzigen Vorgarten und die königsblaue Haustür.
Oh, da war sie.
Endlich.
Ob Davy überhaupt zu Hause war?
Und wenn ja, würde er ihr die Tür vor der Nase zuschlagen?
Und würde Jem jemals wieder mit ihr sprechen, wenn sie herausfand, was sie getan hatte?
Ach, egal, Finn hatte ihr den Tag freigegeben, und sie war nicht ohne Grund den ganzen Weg nach Bristol gefahren. Es wäre dumm, jetzt umzudrehen und wieder nach Hause zu fahren.
Die Haustür wurde von einer ängstlich blickenden Frau geöffnet, der die Unterbrechung sichtlich ungelegen kam. Sie sah auf ihre Armbanduhr, dann zu Ginny und meinte geistesabwesend: »Ja?«
»Hallo, ist Davy da?«
»Tut mir leid, er ist ausgegangen. Sind Sie noch eine Journalistin?«
Ginny holte tief Luft. »Nein, ich bin die Mutter von Jem Holland.«
»Oh, Gott sei Dank! Kommen Sie herein. Davy kommt gleich im Radio.«
Nicht Gott sei Dank, dass sie Jems Mutter war, wie Ginny kurz darauf, als Davys Mutter sie ins Haus zog, feststellte, sondern Gott sei Dank, dass sie das Radiointerview ihres Sohnes nun nicht zu verpassen brauchte.
Und wer könnte ihr das zum Vorwurf machen? Ginny hätte es genauso gehalten. Gemeinsam saßen sie in der Küche und lauschten stumm dem
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