Liebesfilmriss
Mrs Holland.«
Mrs Holland. So höflich. Ginny sagte: »Du siehst … schick aus!«
Er fuhr sich unsicher durch die Haare. »Lucy hat mich überredet, mir die Haare schneiden zu lassen.«
»Das steht dir gut.«
»Danke.« Er hielt kurz inne. »Geht es Jem gut?«
Würde Jem ihr jemals vergeben, dass sie sich eingemischt hatte?
»Nein.« Ginny schüttelte den Kopf. Sie hatte plötzlich einen Kloß im Hals. »Nein, Davy, es geht ihr nicht gut.«
»Glück gehabt?«, fragte Davy.
»Eine Katastrophe.« Lucy warf ihre rosa Jacke und ein paar Tüten von sich. Nachdem sie auf eine Anzeige in der
Evening Post
geantwortet hatte, in der eine lebenslustige vierte Person für eine große WG in Redland gesucht wurde, kam sie jetzt vom Vorstellungstermin zurück. »Genauer gesagt, ein Albtraum. Die Wohnung war Gesundheitsgefährdung pur. Das Zimmer, das sie vermieten, hat die Größe einer Hundehütte, und überall stank es nach Socken. Zwei haarige Physikstudenten und ein Geographielehrer mit Bart und Sandalen.« Sie schnitt eine Grimasse. »Oh, und keine Musik in der Wohnung, weil Musik sie von ihrem Studium ablenkt.«
Insgeheim war Davy erleichtert. »Bist du sicher, dass sie jemand Lebenslustiges gesucht haben?«
»Machst du Witze? Sie halten sich für urkomisch! Sie haben eine ausgestopfte Katze. Und sie spielen einander Streiche, indem sie sich gegenseitig Plastikkatzenkacke in ihren Müslischalen verstecken. Ich sage dir, vor lauter Lachen bekam ich Seitenstechen. Jedenfalls musst du das T-Shirt ausziehen.«
Davys Augenbrauen schossen in die Höhe. »Gelüstet es dich nach meinem Körper?«
»Ich habe dir zwei neue Hemden gekauft.« Lucy griff nach den Tüten. »Komm schon, probiere sie an.«
»Gleich. Wir haben Besuch.« Davy führte sie in die Küche und zeigte durch das offene Fenster in den Garten, wo seine Mutter und Ginny in der Sonne saßen.
»Wer ist das?« Lucy runzelte die Stirn. »Ist das …?«
»Jems Mutter.« Er nahm ihr die Tüten ab und zuckte innerlich, als er sah, dass eins der Hemden knallorange war. »Sie möchte mit dir reden.«
Es war fünf Uhr an einem Samstagnachmittag, und Jem war allein im Haus, nachdem sie den Tag mit ihrem Vater verbracht hatte. Der arme Dad, er hatte sein Bestes versucht, um sie aufzuheitern, und glaubte wahrscheinlich, dass es ihm gelungen sei, aber so nett es auch war, ihn wiederzusehen, war sie doch froh, Zuflucht in ihrem alten Zimmer zu finden und nicht länger unter dem Druck zu stehen, zu lächeln und so zu tun, als sei alles in Ordnung.
Mum war noch bei der Arbeit, Laurel zum Einkaufen in Newquay, und sie fühlte sich erleichtert, allein zu sein, auch wenn
Moulin Rouge
auf DVD wahrscheinlich nicht die beste Idee gewesen war. Sie lag auf dem Bett mit einer Schale von Laurels selbstgebackenen Keksen. Jems Augen wurden feucht bei dem Gedanken an den armen, umwerfenden Ewan MacGregor und den Liebeskummer, der auf ihn wartete, weil Nicole Kidmann zum Schluss in seinen Armen sterben würde. Warum wurde sie nicht von so jemand Wunderbaren wie Ewan angeschmachtet, der nie mit einer alten Freundin hinter Nicoles Rücken Sex in der Dusche haben würde? Wie hatte sie nur so dumm sein können, sich von Ruperts Pseudocharme einwickeln zu lassen? Warum,
warum
war sie nicht mit Lucy aus der Wohnung gestürmt? Sie musste nicht ganz bei Trost gewesen sein.
Tränen kullerten Jem über das Gesicht und tropften von ihrem Kinn, während sie blind auf den Fernsehbildschirm starrte. Ewan und Nicole sangen ›Come what may‹ und versprachen, zusammenzubleiben bis zum Tod. Da mussten sie ja nicht lange warten. Jem langte traurig nach einem weiteren Keks und fragte sich, wie vielen Menschen – abgesehen von ihrer Familie – es etwas ausmachen würde, wenn sie starb. Jedenfalls niemandem in Bristol, da war sie sicher.
Nicole sah atemberaubend aus, während sie Blut hustete. Da klingelte es an der Tür. Ohne große Begeisterung wischte sich Jem die Kekskrümel vom T-Shirt, schwang sich vom Bett und stapfte nach unten.
Lucy stand in der Tür.
Jem starrte sie wie vor den Kopf geschlagen an. Hinter Lucy, an den Gartenzaun gelehnt, stand Davy. Er trug ein extrem orangefarbenes Hemd.
Jems Herz pochte heftig. Sie war sich ihrer geschwollenen Froschaugen deutlich bewusst. Schließlich sagte sie: »Was macht ihr denn hier?«
»Ach Jem, sieh dich nur an. Was glaubst du denn, warum wir hier sind?« Eine Sekunde lang schien es, als ob Lucy ebenfalls in Tränen ausbrechen
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