Liebesfluch
lesen. Erstens, um sicher zugehen, um was es da überhaupt geht, und zweitens um herauszufinden, wann diese Artikel erschienen sind.
Ich höre ein Auto die Auffahrt entlangfahren. Das muss Anja mit Mia sein! Über meine Entdeckung habe ich beinahe vergessen, wie schlecht es der Kleinen gestern Morgen ging. Bestimmt erwartet Anja, dass ich so schnell wie möglich hochkomme und mich nach Mia erkundige. Außerdem sollte ich beim Frühstückmachen helfen – nach der Nacht im Krankenhaus ist Anja bestimmt ziemlich ausgelaugt.
Ich treibe mich zur Eile an, springe schnell unter die Dusche und krame hastig einen Jeansrock und ein T-Shirt aus dem immer noch nicht ausgepackten Koffer. Doch als ich dann die Treppen nach oben laufe, verlangsamt sich mein Tempo plötzlich. Zögernd nehme ich eine Stufe nach der anderen. Wie soll ich nur mit dieser Situation umgehen? Ich weiß einfach nicht, wie ich mich Stefan gegenüber verhalten soll. Und Anja kann ich ja wohl kaum fragen, ob ihr Mann ein Mörder ist.
Anja und Stefan schauen mich peinlich überrascht an, als ich ins Wohnzimmer trete, so als ob sie gerade über mich geredet hätten. Sofort denke ich, dass Stefan mich doch beobachtet und es seiner Frau erzählt hat.
Anja sieht furchtbar müde aus. Ihre Haare sind ungekämmt und ihr beiges Leinenkostüm ist völlig zerknittert und wirkt schmuddelig.
»Guten Morgen«, begrüße ich sie und gebe mir Mühe, so zu tun, als wäre alles in Ordnung. »Wie geht es Mia?«
Anja zuckt müde mit den Schultern. Jetzt erst entdecke ich, dass Mia im Maxi-Cosi neben Anja am Boden steht. Ich gehe zu ihr hin und hocke mich neben sie – schließlich habe ich die Kleine bisher noch gar nicht richtig kennengelernt. Außerdem kann ich so auch vermeiden, Stefan anschauen zu müssen.
Mia betrachtet mich neugierig und streckt mir ihre Händchen entgegen. Ich reiche ihr einen Finger, den sie sofort umklammert, in den Mund schiebt und daran herumlutscht. Also, ich finde ja, dass die Kleine vollkommen gesund wirkt.
Anja seufzt laut hinter mir, als würde ihr das mit dem Finger nicht gefallen.
»Ich habe meine Hände gerade gewaschen«, erkläre ich deshalb und richte mich auf. Doch das ärgert Mia, sie fängt an zu maulen, sodass ich sie kurzerhand losschnalle. Als ich sie aus dem Sitz hebe, rutschen die Ärmel ihres rosafarbenen Kleidchens nach oben und ich sehe, dass ihre Armbeugen dunkelblau unterlaufen sind. Unwillkürlich schnappe ich nach Luft und schaue Anja entsetzt an.
»Das kommt von den Infusionen, manchmal finden sie die Venen bei den Kleinen nicht richtig.« Anja hat Tränen in den Augen und lässt sich auf einen der weißen Lederschwingsessel fallen.
»Du armes, armes Ding«, flüstere ich und schaukle Mia hin und her. »Was haben die Ärzte denn herausgefunden?«, frage ich.
Anja winkt genervt ab. »Sie denken, ich bin überbesorgt. Sie konnten nichts finden. Ich glaube, Mia hat einen Herzfehler oder etwas mit den Nieren. Die Ärzte behaupten, dass sie das überprüft haben, aber ich glaube ihnen nicht.« Sie wendet sich ihrem Mann zu. »Wir müssen in eine andere Klinik gehen, Stefan. Vielleicht nach Heidelberg, die sollen viel besser sein.« Anja stützt ihre Arme auf den Tisch und bettet den Kopf darauf. »Ich weiß einfach nicht mehr weiter.«
»Schatz!« Stefan tritt zu seiner Frau und streichelt ihr über die Haare. »Alles wird gut. Wenn du meinst, dass die Ärzte hier nicht gut genug sind, dann werden wir eben noch andere konsultieren.« Er räuspert sich, als hätte er einen Frosch verschluckt. »Aber glaubst du, wir könnten damit warten, bis ich Anfang nächster Woche wieder von der Fliesenmesse in Valencia zurück bin?«
Anja stöhnt gequält auf. »Was bist du nur für ein Mann?«
Ein Mörder, denke ich unwillkürlich und schäme mich gleich wieder, als ich sehe, wie sehr Stefan Anjas Worte getroffen haben.
»Schsch, mein Liebes«, murmelt er. Er steht unbeholfen hinter ihr und beginnt, ihr über die Haare zu streicheln, aber sie dreht brüsk den Kopf weg.
»Wenn es unbedingt sein muss, dann fahre ich eben nicht zur Messe, obwohl ich schon viele Termine mit interessierten Kunden habe, vor allem für unsere pflegeleichten Betonziegel.«
Anja springt auf und sieht ihren Mann voller Verachtung an. »Es geht um das Leben deines Kindes und du redest von Beton!«
Ich versuche, so unauffällig wie möglich zu verschwinden. Ich hasse es, wenn zwei sich streiten und ich es mit anhören muss. Das kenne ich noch von
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