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Liebesfluch

Liebesfluch

Titel: Liebesfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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beide ein.
    In der Sonne wirken die Ränder unter Anjas Augen wie blaue Flecken. Sie sieht noch viel müder aus als oben im Badezimmer.
    »Willst du nicht auch ein bisschen schlafen?«, frage ich deshalb, aber Anja winkt gleich mit ihrer freien Hand ab und stürzt dann ihren Kaffee hinunter wie eine Verdurstende.
    »Ich brauche nur etwas zum Essen und nachher eine heiße Dusche, dann geht es schon wieder.«
    Ich schäle einen Apfel für Mia und füttere sie mit kleinen Stückchen, was endlich einmal Anjas uneingeschränkte Zustimmung findet.
    »Wie machen wir das mit deinem freien Tag?«, fragt sie und haut ihrem Ei mit Schwung den Kopf ab.
    »Ist mir egal, kann von mir aus auch immer ein anderer Tag sein, ich muss ja nicht zum Sprachkurs gehen.«
    Anja schüttelt den Kopf. »Nein, nein, das ist keine gute Idee. Wir sollten einen Tag festlegen, dann kann sich jeder darauf einstellen. Du wirst doch bestimmt Freunde finden und auch mal ausgehen wollen.«
    Ich schaue über das Holzdeck Richtung Wald, dann zum Dorf. Obwohl es nicht so aussieht, als ob man hier auch nur einen der sieben Zwerge treffen könnte, habe ich immerhin schon Felix kennengelernt. Und der schien wirklich ganz nett zu sein.
    »Es gibt hier auch eine Dorfdisco im Nachbarort, das Sunset.«
    »Ja dann – wie wäre der Samstag?«, schlage ich vor.
    »Ich glaube, der Sonntag wäre besser«, kommt es wie aus der Pistole geschossen und ich frage mich, warum sie den Tag dann nicht gleich vorgeschlagen hat.
    »Sonntags ist Stefan zu Hause und kann mich unterstützen.«
    »Gut, dann also der Sonntag.« Ich streiche mir ein Brot mit Kirschmarmelade und beiße eine Ecke ab. ›Sonntags ist Stefan zu Hause…‹ Obwohl ich versuche, mich zu entspannen und das leckere Frühstück zu genießen, schleicht er sich in meine Gedanken – wie ein Schatten, der sich einfach nicht abschütteln lässt, spukt er mir durch den Kopf. Und wieder muss ich an das Foto in dem Zeitungsartikel denken. Wenn ich doch nur endlich Gewissheit hätte! Die Frage liegt mir schon auf der Zunge, aber es ist natürlich ganz und gar ausgeschlossen, Anja tatsächlich zu fragen, ob ihr Mann ein Mörder ist. Verstohlen beobachte ich sie aus den Augenwinkeln. Und die nächste Frage, die mir durch den Kopf geht, ist, ob eine Frau wie Anja bei einem Mann bleiben würde, der ein Mörder ist. Ich brauche gar nicht erst über die Antwort nachzudenken, denn sie ist sonnenklar. Never ever!
    In diesem Moment fällt mir das Babybild mit der Trauerschleife ein; ich habe noch gar nicht nachgeschaut, ob es wieder da ist. Ich würde Anja gerne fragen, warum das Baby gestorben ist, aber auch das traue ich mich nicht.
    Sie nagt an einem Stückchen Toast und bleibt still, als ob sie meine schwarzen Gedanken lesen könnte oder selbst welche hätte. Und auf einmal hängt kaltes Schweigen über uns wie eine Glasglocke, an der das Vogelgezwitscher und warme Summen der Bienen und Mücken abzuprallen scheint.
    Dann fällt mir endlich etwas Harmloses ein. »Was sind das denn für Leute, die die Bäckerei betreiben?«
    »Warum willst du das wissen?« Anja mustert mich misstrauisch.
    »Nur so. Ich meine, immerhin wohne ich jetzt ein Jahr lang hier und wie es scheint, ist es ja eine sehr gute Bäckerei, die da vor eurer Haustür liegt.«
    »Die Einheimischen sind ziemliche Eigenbrötler. Am Anfang haben wir öfter mal Gartenfeste gegeben, aber sie sind nie zu uns gekommen. Keiner von ihnen.« Anja zuckt mit den Schultern. »Stefan kann gut mit denen. Er hat so eine Art an sich, die gut bei den Leuten hier ankommt.« Sie lacht geringschätzig.
    »Gibt es denn keine anderen Mütter und Babys hier in der Nähe?«
    »Warum fragst du das?«
    »Na, für später, zum Spielen, Freunde für Bennie und Mia eben.«
    »Die beiden haben doch sich selbst.«
    Irgendwie finde ich Anjas Antwort ein bisschen traurig. Auch wenn ich keine Ahnung habe, was es in einer Mutter auslöst, ein Kind zu verlieren, ist es doch bestimmt viel besser, sich mit anderen Müttern und Kindern zu treffen und auszutauschen, als sich so abzukapseln.
    »Ich sehe jedenfalls keinen Sinn darin, wenn du dich viel mit den Dorfleuten abgibst.« Anja zeigt auf Mia. »Schau mal, sie wird gleich einschlafen. Sie sollte jetzt hingelegt werden.«
    Ich stehe auf, obwohl ich definitiv noch Hunger habe, und nehme Mia aus dem Hochstuhl.
    »Ich finde«, Anja klingt jetzt wieder wie eine Generalin, »ihr solltet ein bisschen spazieren gehen. Nach dem Aufenthalt im Krankenhaus

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