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Liebesfluch

Liebesfluch

Titel: Liebesfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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»Tut mir leid, Kleiner«, flüstere ich und versuche, ihn und mich zu beruhigen. Das Bild ist bestimmt nur heruntergefallen – oder meine Erinnerung trügt mich und es stand woanders. Ich lasse meinen Blick über den Boden, dann über das Sideboard schweifen, während mein Herz hart gegen meinen Brustkorb hämmert.
    Nichts.
    Alle anderen Bilder stehen noch genau dort, wo ich sie vorhin auch gesehen habe. Nur dieses eine ist verschwunden.
    Ich zwinge mich, logisch zu denken. Es muss eine Erklärung geben, es wird eine Erklärung geben, aber mein Körper sagt etwas anderes. Irgendwas geht hier vor, etwas, das mir trotz der Hitze schon wieder eine Gänsehaut über den Rücken jagt.
    Bennie wird immer schwerer auf meinem Arm, ich glaube, er ist müde. Er scheint jedenfalls nichts Ungewöhnliches zu bemerken. Und sagt man nicht, dass Kinder und Katzen spüren, wenn Untote oder Geister …
    Hey, stop, Blue! Genug jetzt!
    Ich gehe mit Bennie in die Knie und setze ihn auf den Boden vor das Sideboard. Wenn das Foto heruntergefallen wäre, dann müsste es ja irgendwo sein …
    Nichts, nur makellos glänzendes Parkett.
    Mir wird heiß. Wenn es wirklich weg ist, dann hat mich mein Gefühl also doch nicht getrogen und es war tatsächlich jemand im Haus. Und das ist allein meine Schuld. Wie konnte ich nur so verantwortungslos sein und die Türe offen lassen?
    Bennie findet die dicken runden Knubbelgriffe des Side­boards so interessant, dass er sich daran hochzieht und jetzt schwankend auf seinen Füßchen steht.
    Ich sollte mir ein Beispiel an ihm nehmen und nicht so ängstlich sein. »Super, Bennie!«, lobe ich ihn, doch in diesem Moment fällt Bennie wieder auf seinen Po, und weil er sich dabei verzweifelt an dem Griff festhält, geht gleichzeitig die Tür des Sideboards auf und es rutschen Papierservietten und mehrere Mappen heraus. Eine von ihnen öffnet sich dabei, vergilbte Zeitungsartikel fallen auf den Boden.
    »Mensch, Bennie, was machst du denn da?«, sage ich ärgerlich. Ich stelle mir vor, was wäre, wenn Anja oder Stefan in diesem Moment nach Hause kämen; das Ganze muss ja aussehen, als würde ich heimlich hier herumschnüffeln.
    Hektisch staple ich die Servietten aufeinander und lege sie zurück ins Regalfach, dann schiebe ich die lose am Boden liegenden Papierseiten zusammen.
    Ohne es zu wollen, registriere ich die fette schwarze, rot unterstrichene Schlagzeile auf dem zuoberst liegenden Artikel: Ist dieser Mann ein Mörder? steht da. Und obwohl es mich nichts angeht, werde ich wie magisch von diesem Artikel angezogen. Es handelt sich um eine Seite aus der BILD-Zeitung. Unter der Überschrift ist ein sehr grobkörniges Foto abgedruckt. Ich kann nicht anders, ich muss auf das Foto schauen.
    Und als ich erkenne, was ich da sehe, beginnt mein Herz wie rasend zu hämmern. Dieser Mann sieht aus wie Stefan.
    Ich starre auf das Bild, zur Schlagzeile und zurück, mein Hals ist wie zugeschnürt. Ich will das nicht sehen, ich will das nicht! Wie in Trance stecke ich den Artikel in die Mappe, klappe sie zu und werfe sie zu den anderen in den Schrank zurück. Dann hebe ich Bennie auf und stürme mit ihm nach oben.
    Unablässig summe ich dabei vor mich hin. Ich habe mich bestimmt verguckt. Das auf dem Foto war gar nicht Stefan, das war jemand anderer. Der Artikel war schon völlig zerknittert und ausgeblichen. Und außerdem: Warum sollte man so etwas aufheben? Vor allem, wenn man wirklich schuldig wäre, dann würde man das doch wegwerfen, oder? Vielleicht hat Stefan einen Zwillingsbruder, Zwillinge scheint es ja in der Familie zu geben. Doch trotz dieser Gedanken will mein Herz einfach nicht langsamer schlagen.
    Ich muss mich beruhigen. Die Agentur überprüft garantiert die Familien, in die sie Au-pair-Mädchen schicken – und ehemalige Mörder kriegen bestimmt keines zugeteilt. Ach ja, Blue, meldet sich da wieder die hartnäckige Stimme, die sich vor Panik in meinem Kopf fast überschlägt, und wie sollte die Agentur das bitte schön überprüfen? Die haben doch gar keinen Zugang zu Polizeiakten.
    Meine Gedanken rasen durch die Watte meines Hirns, doch sie helfen mir auch nicht weiter. Ich muss dringend ins Internet, muss herausfinden, was hier passiert ist. Ans Sideboard traue ich mich nicht mehr, schließlich könnte jeden Moment jemand von den Zeltners nach Hause kommen.
    Zum Glück scheint Bennie wirklich müde zu sein und lässt sich von mir anstandslos wickeln und hinlegen. Ich bleibe nervös und vollkommen

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