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Liebesfluch

Liebesfluch

Titel: Liebesfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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triumphierendes »Ha!« aus und geht zu den LPs an der gegenüberliegenden Wand. Etwa in der Mitte der Reihe zieht er ein paar Platten aus der Sammlung seines Vaters hervor und sieht sich die Cover an. Schließlich scheint er gefunden zu haben, wonach er gesucht hat. Er kommt breit grinsend zu mir und hält mir die Platte vors Gesicht.
    Ein attraktiver dunkelhaariger Mann schaut mich traurig an. Songs of Leonard Cohen steht unter dem Porträt. Das ist in jedem Fall besser als Kompost! Felix drückt mir die Platte in die Hand und ich drehe sie um. Hinten ist eine Songlist mit Texten abgedruckt, die ich mit klopfendem Herzen überfliege. Und tatsächlich, einer davon heißt Suzanne . Auch wenn Cohen besser ist als die Parasiten, bin ich trotzdem total enttäuscht, dass mein Großvater anscheinend kein Poet, sondern bloß ein Abschreiber war, und gebe Felix die Platte zurück. Als er mein Gesicht sieht, sagt er: »Hey, sei doch nicht so traurig. Wenn du mit deiner Oma nicht darüber geredet hast, dann kann es doch auch sein, dass es ihr gemeinsames Lieblingslied war und er es deshalb in den Brief geschrieben hat.«
    Ich zucke bloß noch mit den Schultern; das ist mir gerade so was von egal. Ich fange an zu glauben, dass Grannie vollkommen recht hatte – ich hab mir da was zurechtgesponnen, habe mir eine große, dramatische Liebesgeschichte ausgemalt, die nun wie ein Kartenhaus in sich zusammenzufallen droht. Wahrscheinlich hätte ich doch besser nach Paris fahren sollen.
    »Komm schon, wir hören sie uns einfach mal an«, schlägt Felix vor, und als ich stumm bleibe, fügt er kopfschüttelnd hinzu: »Ich leg sie mal auf.« Er zieht die Platte aus der Hülle. Etwas fällt zu Boden.
    »Was ist das denn?«, rufen wir beide und stürzen uns gleichzeitig auf das Stück Papier, das auf dem Boden liegt. Es ist ein grünes Dokument, auf dem in goldfarbenen Buchstaben Reisepass der Bundesrepublik Deutschland geschrieben steht. Als wir den Pass aufschlagen, fällt ein Zettel heraus – Visum zum Aufenthalt in den Vereinigten Staaten von Amerika ist dort zu lesen, ausgestellt auf den Namen Georg Hikisch.
    »Wie merkwürdig. Ich meine, wie hätte Georg es denn ohne Pass in die USA schaffen können?«, fragt Felix.
    »Gar nicht. Niemand kommt ohne Ausweis in die USA, früher nicht und heute erst recht nicht mehr.«
    Beklommen schauen wir uns an.
    »Er ist gar nicht erst losgefahren«, stelle ich fest. »Er hatte doch sicher keine zwei Ausweise, oder?«
    »Glaube ich auch nicht. Aber wohin ist er dann verschwunden? Immerhin hatte er diesen ominösen Familienschatz dabei …«
    Mir ist ganz schwindelig und meine Zunge klebt an meinem Gaumen. Hastig trinke ich einen Schluck von dem inzwischen kalten Kaffee. In meinem Gehirn rattert es. Wenn Georgs Ausweisdokumente noch in seinen Platten versteckt sind, dann muss ihn jemand daran gehindert haben wegzufahren. Doch noch bevor ich diesen Gedanken zu Ende verfolgen kann, gellt eine Stimme durchs Treppenhaus.
    »Felix, wer ist da bei dir? Doch nicht etwas dieses Mädchen?«
    Erschrocken schauen Felix und ich uns an und ein paar Sekunden später steht seine Oma vor uns. »Raus hier, raus aus Felix’ Zimmer, raus aus diesem Haus!«, keift sie mich heftig keuchend an.
    Unwillkürlich bin ich aufgestanden und gehe auf sie zu. »Jetzt beruhigen Sie sich doch bitte«, fordere ich sie höflich auf. »Was haben Sie eigentlich gegen mich?«, kann ich es mir dann doch nicht verkneifen und ignoriere Felix’ Blick.
    »Wir wollen hier keine hochnäsigen Amerikanerinnen«, stößt sie hervor und verschränkt ihre Arme vor der Brust. »Felix braucht Sie nicht, Sie sind nicht gut für ihn.«
    Felix steht hinter ihr und zuckt mit den Schultern, als wolle er sagen, dass das nicht seine Meinung sei, aber er schweigt.
    »Es muss ja wohl einen Grund geben, weshalb Sie mich ablehnen – doch nicht wirklich nur deshalb, weil ich Amerikanerin bin?«
    »Amerika hat sehr viel Leid über meine Familie gebracht.«
    »Das tut mir leid. Aber damit habe ich doch nichts zu tun, oder?«
    Sie mustert mich genauer, dann bleibt ihr Blick an meinem Armband hängen. »Oh doch. So, wie Sie aussehen, ganz sicher.«
    »Was haben Ihnen die Amerikaner denn getan?«
    »Nicht nur, dass sie Deutschland in Schutt und Asche gebombt haben zu einer Zeit, als es hier nur noch Frauen und Kinder und Alte gab.« Sie zieht eine Schachtel Zigaretten aus ihrer Kittelschürzentasche und zündet sich eine an. »An ihrer Vorliebe, die unschuldige

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