Liebesfluch
Zivilbevölkerung zu bombardieren, hat sich ja bis heute nichts geändert. Doch darüber hinaus habe ich auch ganz persönliche Gründe, Sie nicht in meinem Haus haben zu wollen.« Sie saugt an der Zigarette, als wäre es das Elixier, das sie am Leben hält.
Ich beschließe, alles auf eine Karte zu setzen. Und ich will wissen, ob mein Verdacht stimmt, dass ich sie neulich in der Bäckerei wirklich an Grannie erinnert habe. »Meine Großmutter stammt von hier. Vielleicht haben Sie sie ja sogar gekannt«, sage ich und lächle sie an, aber das ist so, als würde ich eine Absperrung anlachen.
»Susanne! Oder sollte ich besser Suzanne sagen?« Sie lacht bitter auf. »Oh ja, und wie ich sie gekannt habe. Und du siehst ganz genauso aus wie diese alte Hexe.« Ihre Stimme trieft geradezu vor Hass. Sie nimmt einen tiefen Zug von ihrer Zigarette und dann sagt sie gefährlich leise: »Geh jetzt! Sofort!«, und weist mit ausgestrecktem Arm zur Tür.
Unfassbar, dass jemand so über Grannie denkt, unvorstellbar, dass jemand ihren Namen so hasserfüllt ausspricht. In mir regen sich Widerstand und Zorn – und brennende Neugierde. Was war hier damals nur los gewesen?
»Ist es wegen Georg?«, frage ich einfach so ins Blaue.
Felix’ Oma fasst sich unwillkürlich an den Mund und wird so blass im Gesicht, dass ich einen Moment lang Angst habe, sie könnte ohnmächtig werden.
Aber sie fasst sich schnell wieder und weist erneut mit ihrem ausgestreckten Arm zur Tür. »Nimm seinen Namen nie wieder in den Mund! Und jetzt raus aus meinem Haus.« Die Hand an ihrem ausgestreckten Arm ballt sich zur Faust.
Obwohl ich langsam Angst kriege und nicht verstehe, weshalb Felix nicht eingreift, muss ich einfach weiterfragen. »Ich bin hergekommen, um die Wahrheit über Georg herauszufinden.«
»Die Wahrheit!« Sie spuckt das Wort verächtlich aus. »Die Wahrheit ist, dass an diesem Armband Blut klebt.« Voller Abscheu starrt sie auf mein Handgelenk.
Ich betrachte Grannies harmloses silbernes Bettelarmband mit den vielen kleinen Glücksanhängern und den vier ganz besonderen: die massive Dreizehn, ein Seepferdchen mit Rubinaugen, ein fein ziselierter Schlüssel und ein Engel aus einer rosa schimmernden Perle mit fein gearbeiteten Flügeln.
»Blut?«, frage ich verständnislos.
»Ich habe es sofort erkannt. Es hat einmal meiner Mutter gehört. Und jetzt zum letzten Mal: raus hier!«
Felix’ Oma presst die Lippen zusammen, als wollte sie verhindern, dass ihr noch ein Wort entschlüpft, doch dann sagt sie es noch einmal.
»Raus!«
Ihr Zorn ist so kraftvoll, dass ich wie hypnotisiert tatsächlich das Zimmer verlasse und die Treppen hinuntergehe.
Felix kommt hinter mir her. »Sie ist eben verrückt.«
Ich weiß nicht, was ich denken soll. Klar, Felix hatte mir erklärt, dass er sich keinen Ärger mit seiner Großmutter leisten kann. Aber ich finde trotzdem, dass er mich gegen sie hätte verteidigen können. »Wie heißt deine Oma eigentlich?«, will ich wissen.
»Kathi Klein. Hey, bestimmt verwechselt sie das«, er greift nach meinem Handgelenk, lässt es aber sofort wieder los. »Die sehen doch eh alle gleich aus, diese Armbänder. Lass uns das alles vergessen und heute Abend zusammen ins Sunset gehen. Was hältst du davon?«
In meinen Ohren höre ich immer nur Blut und wieder Blut. Ich muss unbedingt mit Grannie reden, sie nach Kathi fragen.
»Hey, Blue, da ist heute Abend Oldie-Night.«
Wir sind inzwischen vor der Türe angelangt und ich atme gierig die warme, frische Luft ein, ehe ich mich zu Felix umdrehe. »Oldie-Night, dann geh doch mit deiner Oma hin, viel Spaß!«, platzt es aus mir heraus.
Schnell steige ich ins Auto ein, schlage die Tür zu und gebe Gas. Dann erst schäme ich mich, weil ich so grob zu Felix war – schließlich weiß ich jetzt sehr viel mehr über Georg als vorher, auch wenn das, was wir herausgefunden haben, ziemlich beunruhigend ist.
Weil ich so durcheinander bin, rase ich wie ein Rennfahrer über die Straße, die parallel zum Wald verläuft, bis der Weg über eine Hügelkuppe führt. Plötzlich liegt ein weites Tal vor mir. Nichts als Maisfelder, Wiesen und Kirschbäume, die schon voller Obst hängen. Rot wie Blut.
Blut.
Grannie wollte nicht, dass ich hierherfahre; sie zieht Karten für mich wie den Tod und den Teufel und will, dass ich dieses Glücksarmband zu meinem Schutz immer trage. Und dann soll Blut daran kleben? Was zur Hölle ist nur mit Georg passiert?
Hinter der nächsten Biegung sehe ich
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