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Liebesfluch

Liebesfluch

Titel: Liebesfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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ich es rechtzeitig erreiche. Ich muss etwas Falsches gegessen haben – nur dass ich mich schon gar nicht mehr daran erinnern kann, wann ich überhaupt zuletzt etwas gegessen habe.
    Ich schaffe es gerade so und fühle mich ziemlich schwach und zittrig. Kalter Schweiß steht mir auf der Stirn. Das muss von dem aufregenden Tag gestern kommen, es ist schließlich so viel passiert – so etwas kann einem doch auf den Magen schlagen, oder?
    Nachdem ich die Hände und mein Gesicht gewaschen habe, schleppe ich mich zurück zum Bett, kann aber nicht mehr einschlafen. Mein Blick fällt auf Grannies kaputtes Armband auf dem Nachttisch; auf den vielen kleinen Anhängern spiegelt sich der Mond, dessen kaltes blaues Licht durch das Fenster in mein Zimmer fällt. Ich kann mich nicht erinnern, wo ich es verloren habe, aber wenn Stefan es auf der Treppe gefunden hat, dann muss es passiert sein, als ich vor Felix davongelaufen und gestürzt bin.
    Offensichtlich sind noch alle Anhänger dran, jedenfalls alle meine Lieblingsstücke. Ich schalte die Lampe auf meinem Nachttisch ein, nehme das Armband in die Hand und schaue es genauer an. Das, was vorhin rot war, ist jetzt bräunlich – es sieht wirklich sehr nach Blut aus. Ich betrachte das Handgelenk, an dem ich das Armband sonst immer trage – und tatsächlich sind dort ein paar Stellen, an denen die Haut von dem Sturz abgeschürft ist. Daher also das Blut … Ich werde das Armband ordentlich abschrubben und Anja nach einem Juwelier fragen.
    Da mich meine Magenschmerzen sowieso nicht schlafen lassen, humple ich zu meinem Laptop und schalte ihn mal wieder ein – und zu meiner großen Überraschung funktioniert das Internet. Ich rufe alle meine Mails ab, es sind mindestens zehn von Vicky und drei von Grannie und Mom. Zuerst klicke ich die von Vicky an, aber alles, was sie schreibt, kommt mir vor wie von einem anderen Stern. Paris! Großstadt. Sie gibt ganz schön an, alles ist toll, die Villa, die Leute, der Job, die Kinder.
    Frustriert schaue ich aus dem Fenster. Während Vicky sich ein schönes Leben in Paris macht, sitze ich hier, mit Bauchkrämpfen, verschwitzt, in einem one-horse town in the middle of nowhere, umgeben von lauter nerds. Wie soll ich das denn jemals in eine Mail packen? Und was das Schlimmste ist – ich kann mich nicht mal beklagen, denn ich wollte ja unbedingt hierher!
    Nur wegen des wunderschönen Gedichtes, das ich in Omas Sachen gefunden habe … Dachte, ich würde hier ihre große Liebe finden und könnte ihr so etwas von all dem zurückgeben, was sie mir gegeben hat, als Mom und Dad wegen ihrer Krise nicht in der Lage waren, sich um mich zu kümmern. Und erst jetzt fällt mir der Brief wieder ein, den ich Felix ges­tern Abend abgenommen habe.
    Vergessen ist Vicky, vergessen ist Paris. Aufgeregt humple ich zum Bett und ziehe den Brief unter dem Kopfkissen hervor. Was, wenn Felix mich angeschwindelt hat und es gar kein Brief von Georg ist? Aber es ist dieselbe mattblaue Schrift wie in dem anderen Brief, den ich gefunden habe:
    Weitersheim, den 12. Juli 1968
Hey Suzanne,
    I loved you in the morning, our kisses deep and warm,
your hair upon the pillow like a sleepy golden storm,
yes, many loved before us, I know that we are not new,
in city and in forest they smiled like me and you,
but now it’s come to distances and both of us must try,
your eyes are soft with sorrow,
Hey, that’s no way to say goodbye.
    Und anders als Cohen sagen wir ja auch nicht goodbye, wir sehen uns bald. Ich kann es kaum erwarten, ihn und diese spießigen Mistgurken, die sich meine Schwestern nennen, zu verlassen. Na ja, du kennst sie ja. Bei denen ändert sich nie was, sie sind genauso wie er, ihre Blockwartmentalität macht mich krank, ihr Sinn für Humor ist nicht mal unterentwickelt, er ist einfach nicht existent.
Sie halten diese audiokranke Missgeburt »Wir wollen niemals auseinander gehen« von Heidi Brühl tatsächlich für Musik. Ich muss jedes Mal grinsen, weil sie nicht wissen, wie weit weg ich eigentlich schon bin. Meine Musik halten sie allen Ernstes für Negergeplärre. Deshalb haben sie auch meinen Ausweis und das Visum bisher nicht gefunden, obwohl sie ja alles regelmäßig durchkämmen – angeblich um sauberzumachen. Du hättest ihr Gesicht sehen sollen, als sie neulich deine leere Pillenschachtel entdeckt haben.
Apropos – ich träume unablässig von dir und davon, dass wir Cohen live singen hören werden …
Wenn du diesen Brief liest, bin ich schon unterwegs und

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