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Liebesfluch

Liebesfluch

Titel: Liebesfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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werde in Kürze bei dir in Frisco sein.
Heute werde ich es tun.
Ja, ja, ja, du hattest mal wieder recht. Ich hätte es gleich mit dir zusammen tun sollen, weil ich allein doch wieder nicht so mutig bin, wie ich es gerne wäre. Ich möchte trotz allem, womit ich ihn konfrontieren muss, einfach gern in Frieden gehen.
Du kennst ihn ja. Aber heute werde ich es tun.
Ich habe alles, was dieser Verräter im Krieg zu Unrecht zusammengerafft hat (all das Zahngold und den Schmuck), versteckt. So, wie wir es besprochen haben. Und ich werde ihm erst sagen, wo sein elender »Schatz« ist, wenn er mich in Frieden gehen lässt und versprochen hat, sein Unrecht wiedergutzumachen.
Mir gefällt der Ort, den ich als Versteck ausgesucht habe. Direkt vor seiner Nase und doch so weit weg. Geradezu symbolisch – jedenfalls für das, was wir für unser Leben wollen.
Den einen Schlüssel zu diesem Ort habe ich dir längst gegeben, den anderen trage ich bei mir, für ihn. Nachher.
Du merkst, dass ich diesen Brief missbrauche, um mir Mut zu machen. Dich missbrauche. Verzeih mir.
Es ist ja auch so unnötig, denn er wird mich sowieso nicht verstehen, so wie er Mutter nie verstanden hat. Er hält mich für einen Waschlappen, eine Heulsuse, weil ich es wage, mich ihm zu widersetzen, und er glaubt allen Ernstes, erst dein Einfluss hätte mich dazu gebracht, in der Vergangenheit herumzuwühlen.
Er hätte sich einen Dreck darum geschert, dass Mutter mir das Armband für dich schenken wollte, und wenn der Herr Pfarrer nicht zufällig an dem Sonntag dabei gewesen wäre, hätten es sich die Mistgurken geschnappt. Aber in Anwesenheit der heiligen Kirche konnten sie der Schwerkranken ihren Wunsch ja nur schlecht abschlagen. Diese Heuchler!
Aber was soll’s, wir werden anders leben. Ohne diesen ganzen Mist, den ich nicht mehr ertragen kann – von wegen Pflicht und Ehre und Gründlichkeit. Man sieht ja, wohin Deutschland das geführt hat: In die Hölle.
Und wir hauen daraus ab.
Mein Liebling, ich kann’s kaum erwarten. Jetzt habe ich wieder mehr Mut und werde nun runtergehen und es hinter mich bringen.
    Come mothers and fathers troughout the land
And don’t criticize what you can’t understand
Your sons and your daughters are beyond your command
Your old road is rapidly aging
Please get out of the new one if you can’t lend your hand
For the times they are A-changin’
    O mein Gott. Ich halte atemlos inne und versuche zu verstehen, was Georg in diesem Brief geschrieben hat. Ich kehre zu den Zeilen zurück, in denen er von seinem Vater erzählt. Scheinbar hatte dieser eine dunkle Vergangenheit während der NS-Herrschaft, auch wenn ich die Zusammenhänge nicht wirklich verstehe.
    Grannie hat den Brief nie erhalten – und Georg ist niemals irgendwo aufgetaucht, nachdem er diese Zeilen geschrieben hatte. Und nach allem, was in diesem Brief steht, gibt es dafür nur eine einzige Erklärung: Er muss tot sein. Dabei ist dieser Brief so voller Leben … Ich hätte ihn gern kennengelernt, meinen Opa.
    Wie traurig, dass Grannie erst in Kalifornien gemerkt hat, dass sie von Georg schwanger war, davon hat er anscheinend nie erfahren. Ob ihm diese Verantwortung gefallen hätte? Grannie muss diesen Brief hier unbedingt lesen, obwohl sie ja der Meinung ist, man soll an Vergangenem nicht rühren.
    Als ich Grannie einmal gefragt habe, warum sie nicht zurückgegangen ist und Georg gesucht hat, da hat sie gesagt: »Kindchen, was hätte ich denn in diesem Kaff gesollt? Er ist nicht gekommen, also waren seine Worte so viel wert wie lauwarmes Bier. Ich habe drei Wochen gewartet, dann sehr viele Briefe geschrieben, auf die ich nie eine Antwort bekommen habe.«
    »Aber es hätte ihm doch etwas passiert sein können, vielleicht ist er krank geworden?«
    »Dann hätte er es geschafft, sich zu melden, oder eine seiner Schwestern hätte mir auf einen meiner Briefe geantwortet. Es war seine Entscheidung.«
    »Und warum bist du nicht hingefahren und hast nachgeforscht?«
    Grannie hatte die Hände hochgeworfen und den Kopf geschüttelt. »Ich bitte dich, Blue, als Frau mit Kind ohne Mann – das war Ende der Sechzigerjahre in so einem Ort noch völlig undenkbar. Außerdem musst du nach vorne schauen, man sollte nicht zurückgehen, niemals. Es kann nie mehr so werden, wie es einmal gewesen ist.«
    »Wenn man alles hinter sich lassen soll«, wollte ich dann wissen, »warum hast du Mom und mir dann Deutsch beigebracht?«
    »Das wiederum ist ganz einfach, Kleines. Diese Sprache

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